Strahlenmüll ab 1994 retour

Ende 1994 kommt erstmals hochradioaktiver Atommüll aus Frankreich zurück / Zwischenlagerung und Verpackung bislang nicht genehmigt  ■ Von H.-J. Tenhagen

Berlin (taz) – Im Dezember 1994 soll erstmals hochradioaktiver deutscher Atommüll von der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach Gorleben gekarrt werden. 21 stark strahlende Glaskokillen mit Atommüll aus dem AKW Würgassen, der in La Hague aufbereitet wurde, sollen im Gorlebener Zwischenlager untergebracht werden. Das bestätigte der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Günther Einert (SPD) den Grünen im Düsseldorfer Landtag.

Zuvor müßten aber noch einige Probleme gelöst werden. Bislang existiert nämlich weder eine Genehmigung für die Zwischenlagerung solcher Kokillen noch eine Genehmigung für die entsprechenden Transportbehälter – von der ungelösten Frage der Endlagerung ganz zu schweigen. SPD-Minister Einert räumte in seiner Antwort auf die kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Kathrin Grüber die Defizite denn auch ein. Sein Schluß: Auf die Wiederaufarbeitung sollte generell verzichtet werden, schon wegen des möglichen Mißbrauchs von Plutonium nach der Wiederaufarbeitung (Stichworte Atomwaffen-Proliferation, Nuklearterrorismus).

Die Würgassener Kokillen sind nur die Spitze des Atommüllberges. In La Hague sollen in den kommenden Jahren rund 4.600 Tonnen abgebrannter Brennstäbe aus Deutschland wiederaufgearbeitet werden. Über 30 Tonnen Plutonium würden abgesondert, und zirka 3.450 Kokillen müßten anschließend als Atommüll zurückgeliefert werden. Frankreich hat sich gleichzeitig gesetzlich festgelegt, daß der wiederaufgearbeitete deutsche Atommüll sobald wie technisch möglich nach Deutschland zurück soll.

In Bonn ist derweil die Auseinandersetzung um die Atommüllfrage in eine neue Phase getreten. Der Bundesrechnungshof hat in einer Expertise für den Bundestag erstmals unmißverständlich festgestellt, daß „die Wiederaufarbeitung als wirtschaftlich nicht mehr vertretbar bewertet werden kann“. Sie sei mehr als doppelt so teuer wie die direkte Endlagerung. Die Frankfurter Rechnungsprüfer halten an ihrer Meinung fest, obwohl das Bundesumweltministerium und das Bundesforschungsministerium diese Position „nicht in vollem Umfang“ teilen.

Die Bewertung des Bundesrechnungshofes ist auch rechtlich bedeutend, weil das Atomgesetz die Wiederaufarbeitung nur so lange vorschreibt, wie sie schadlos durchführbar und wirtschaftlich zu vertreten ist. Ist sie wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten, so der Umkehrschluß, könnte auch ohne Änderung des Atomgesetzes auf die besonders gefährliche Wiederaufarbeitung verzichtet werden.