: „Ich freu' mich auf meine Feier“
Bundesfinanzhof-Chef Franz Klein versteht nicht, warum man das 75. Jubiläum seiner Einrichtung nicht als Kontinuum des nationalsozialistischen Reichsfinanzhofes begehen will ■ Von Michaela Schießl
Berlin (taz) – Dem Bundesfinanzhof gehen die Jubiläumsgäste aus: Heide Simonis, Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein und ihr Justizminister Klaus Klingner sind offenbar nicht die einzigen, die die Einladung zu den Festlichkeiten zum 75jährige Jubiläum des höchsten deutschen Steuergerichts umgehend ausschlugen. „Ich habe die Einladung am 3. März erhalten, zwei Tage später ging die Absage raus, aus sehr wohl erwogenen Gründen“, sagt Heide Simonis. Am 22. April habe sie die Absage nochmals bestätigt: „Staatssekretär Gärtner rief an, um mich umzustimmen, weil so viele Geladene schon abgesagt hatten.“
Die „sehr wohl erwogenen Gründe“ hat das Fernsehmagazin Panorama am Donnerstag ins Bild gesetzt: Bundesfinanzhof-Präsident Prof. Dr. Klein will am 30. September in der Tradition vom Reichsfinanzhof zum Bundesfinanzhof feiern – unter Verdrängung der judenfeindlichen Rechtsprechung des Dritten Reiches. Klein findet, daß der Reichsfinanzhof auch „während des Nationalsozialismus“ eine „große Zeit“ gehabt hat, wo „sachlich Recht gesprochen wurde“. Eine Äußerung, die den Kölner Steuerrechtler Prof. Günther Felix heftig erbost. Gegenüber dem Sender weist er auf die judenfeindliche Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes hin, die „teilweise – sozusagen im Steuerrecht – Auschwitz vorweggenommen“ habe. So mußten Juden während der Naziherrschaft im Unterschied zu Deutschen ihre Zinseinkünfte nicht halb, sondern voll versteuern. Jüdischen Gemeinden, Schulen, Sportvereinen, Kindergärten wurde die Gemeinnützigkeit entzogen, wodurch sie voll steuerpflichtig wurden. Nach der Reichskristallnacht führte der Gesetzgeber eine „Judenvermögensabgabe“ ein, „als Sühne für die feindliche Haltung des Judentums gegenüber dem Deutschen Volk und Reich“. Juden, die aus Deutschland fliehen wollten, mußten eine Fluchtsteuer bezahlen.
Franz Klein jedoch will seine Fete nicht trüben durch Erinnerungen an rassistische Willkürurteile des Reichsfinanzhofes. Und so stammelte er in der Sendung Panorama: „Ich freu' mich auf meine Feier, und ich lasse mir die Feier auch nicht von denjenigen, die meinen, weil sie nicht eingeladen sind, vermiesen ... Auch diejenigen, die heute die Vorwürfe machen, haben wahrscheinlich die HJ-Uniform getragen.“
Einer, der nicht geladen wurde, ist Ignatz Bubis, der Zentralratsvorsitzende der Juden Deutschlands. Eine „Wut“ habe er, sagte Bubis, wegen der vollkommenen Ausblendung antijüdischer Urteile des Reichsfinanzhofes.
„Schon an der Einladung konnte man erkennen, in welche Richtung diese Feier geht“, sagte Heide Simonis. „Wenn da schon steht: 75 Jahre Reichsfinanzhof, Bundesfinanzhof. Statt mit der Geschichte zu brechen, versteht man die Entwicklung als Kontinuum.“ Für sie war sofort klar: „Da gehe ich nicht hin.“ Noch nicht abgesagt hat hingegen Bundeskanzler Helmut Kohl.
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