„Ich sage, Israel muß gehen“

■ Dr.Ibrahim Ilyasun, Mitglied von Hamas, zum Autonomieabkommen

taz: Anfang nächster Woche soll das „Jericho-Gaza-Abkommen“ unterzeichnet werden. Freuen Sie sich darüber, daß sich die israeliche Armee aus dem Gazastreifen zurückziehen wird?

Dr.Ibrahim Ilyasun: Natürlich bin ich froh über den Rückzug. Aber ich bin nicht froh über das Abkommen. Es hat nicht ein Mindestmaß an palästinensischen Forderungen erfüllt. Es gibt im Gegenteil der Besetzung Palästinas durch die Israelis einen Anstrich von Legalität.

Wie sollte denn Ihrer Meinung nach eine Lösung aussehen?

Palästina ist islamische Erde und somit nicht verhandelbar. Wenn jemand Ihr Haus besetzt, würden Sie ja wohl kaum Ihr Einverständnis geben, daß er darin wohnen bleibt. Genausowenig können wir akzeptieren, daß die Juden in unseren Häusern bleiben und unser Land besetzen.

Es gab ja in der Geschichte des Nahostkonfliktes viele Lösungsvorschläge, angefangen von dem UNO-Teilungsplan von 1947 bis hin zu den UN-Sicherheitsratsbeschlüssen 242 und 338. Welcher davon kommt denn Ihren Vorstellungen am nächsten?

Wie ich sagte, Israel muß gehen.

Aber die PLO-Führung hat deutlich erklärt, daß das „Jericho- Gaza-Abkommen“ nur ein erster Schritt im Rahmen einer Gesamtlösung ist.

Es ist nicht der erste Schritt, es ist der erste und letzte zugleich. Wir wissen genau, daß es danach nichts mehr geben wird. Israel wurde auf Basis des Dogmas der jüdischen Religion gegründet, nach der Israel das Land zwischen Euphrat und Nil ist. Es mag so aussehen, daß die Israelis davon Abstand genommen haben. Aber das ist reine Taktik.

Was glauben Sie, wie Gaza in einem Jahr aussehen wird?

Ich glaube, am Anfang werden die Leute erleichtert, optimistisch und zufrieden sein. Aber dann werden sie langsam verstehen, daß dieses Abkommen nur Fluch und Unheil über sie bringt. Das Leben mag sich wirtschaftlich verbessern. Aber Geld und materielle Dinge sind nicht alles im Leben des Menschen. Freiheit, Unabhängigkeit und ein Leben in Würde auf seinem eigenen Boden sind höhere Werte.

Aber welche Alternativen haben die Palästinenser denn?

Palästina war schon immer umstritten. Ich bin jetzt schwach, ja. Aber das heißt noch lange nicht, daß ich kapituliere und dem zustimme, was mein Feind mir aufzwingt. Ich kann doch nicht die Rechte der kommenden Generationen aus der Hand geben. Wir müssen ausharren, bis neue Generationen kommen, die stärker sind als wir und die in der Lage sind, ihre Rechte zurückzuerobern.

Sie wollen also morgen der israelischen Armee sagen: Liebe Soldaten, zieht euch bitte nicht aus dem Gaza-Streifen zurück.

Ex-Präsident Carter hat einmal gesagt: Wenn ich Palästinenser wäre, würde ich lieber unter der Besatzung leben als unter einem Autonomiestatus. Und er ist Amerikaner.

Und Sie stimmen dem zu?

Das ist seine Meinung.

Aber was werden Sie, Dr.Ilyasun, denn morgen der PLO sagen, wenn diese in Gaza einzieht?

Das gleiche, was ich schon heute sage: Dieses Abkommen ist ein großer Fehler. Es bindet mich und die kommenden Generationen in keinster Weise. Und wir werden beginnen, die Leute über die Gefahren dieses Vertrages zu informieren. Das wird in freundschaftlichem Ton und auf demokratischem Wege passieren. Wir werden auf keinen Fall Gewalt anwenden. Die PLO hat den Kampf beerdigt und einen Weg eingeschlagen, der den Interessen des palästinensischen Volkes widerspricht. Interview: Ivesa Lübben