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■ US-Magier David Copperfield erstmals auf EuropatourneeIllusion oder Zauberei?

München (taz) – Der Mitteleuropäer von heute ist ein aufgeklärter Mensch und läßt sich so schnell nichts vormachen. Ist der US-Entertainer David Copperfield etwa wirklich der „größter Magier aller Zeiten“? Vielleicht für die TV-geschädigten Amis, aber hier doch nicht! Denn wenn man die Illusionen, die der 36jährige am vergangenen Freitag in München, erstmals in Europa, inszenierte, mit der nötigen kritischen Distanz verfolgt, wird man sicher einen Teil der Tricks erhaschen können. Wäre ja gelacht.

Da haben wir zum Beispiel die Nummer mit der Frau im wallenden roten Kleid, die er gerade auf die Bühne gezaubert hat und wohl folgerichtig von dort in Kürze wieder verschwinden lassen wird. Jetzt hält sie ein großes rotes Tuch zwischen sich und die Zuschauer. Klarer Fall, sie steht so dicht am verwirrend glitzernden Vorhang hinter der Bühne, daß sie sicher durch ein Schlupfloch nach hinten abtreten kann. Oha, sie entfleucht noch gar nicht, sondern schwebt plötzlich aufrecht in die Lüfte! Auch das läßt sich bestimmt durch irgendwelche Winden und versteckte Schnüre erklären – wo immer sie auch befestigt gewesen sein mögen, als Copperfield mit seiner Partnerin quer über die Bühne tanzte.

Aber jetzt rudert die schwebende Frau noch mit den Armen, und löst sich dann – nichts weniger als das – in Luft auf: Ihre Figur zeichnet sich mit einem Mal nicht mehr unter dem Stoff ab, das Tuch fällt haltlos in sich zusammen und leer auf den Boden.

Schritt für Schritt nahm David Copperfield Hunderten aufgeklärten Mitteleuropäern im Deutschen Theater in München die Sicherheit ihrer Rationalität. Er zersägt eine Jungfrau – längs. Er läßt eine Assistentin seinen Bauch und Rücken durchdringen und mitten durch seinen Körper kriechen. Er verwandelt sich in seine Partnerin am anderen Ende der Bühne und sie sich in ihn, und beide waren höchstens für eine Sekunde nicht zu sehen.

„Das Gefühl des Staunens ist viel wichtiger“

Dinge, die so offensichtlich unmöglich sind, daß dem Zuschauer der Gedanke an Magie mindestens so naheliegend erscheint wie der an raffinierte Tricks, er das Grübeln aufgibt und sich ganz aufs kindliche Staunen konzentrieren kann. Vor allem beim Fliegen.

Der Effekt ist jedesmal der gleiche, erklärt Copperfield nach der Vorstellung. Wenn er auf der Bühne abhebt und sich mit schwimmähnlichen Bewegungen durch die Luft zieht, denken die Leute noch an die Fünfzig-Tonnen- Technik und suchen nach Schlüsseln, die zumindest andeuten könnten, warum sie sehen, was nicht sein kann. Nach einigen Minuten aber, wenn der Künstler immer noch seine Bahnen zieht, Purzelbäume dreht, eine Frau aus dem Publikum auf dem Arm mit sich hinaufnimmt und selbst in einem geschlossenen Plexiglas-Aquarium weiterschwebt, lassen sie sich fallen und fliegen mit.

„Die Leute wollen eigentlich gar nicht wissen, wie es funktioniert“, meint der Meister. „Das Gefühl des Staunens ist viel wichtiger.“

Wenn Copperfield in Pulli und Jeans auf der Bühne steht, wirkt er fast wie der kleine David, der vor 25 Jahren anderen Kindern etwas vorzauberte, um beliebt zu werden. Trotz dreier Shows täglich und 500.000 Zuschauern allein während der kommenden Wochen in Deutschland, scheint er sich immer noch über jeden Trick zu freuen, mit dem er seine Träume wahr werden läßt, und über jede Überraschung, die seine Zuschauer begeistert. Aber vielleicht ist gerade dieses Gefühl, das er dem Publikum vermittelt, seine beste Illusion. Stefan Niggemeier

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