Außer Rand und Band

DFB-Pokal, 3. Runde: SC Freiburg – Eintracht Frankfurt 5:3 nach Verlängerung  ■ Aus Freiburg Ulrich Fuchs

Wer hat heute gewonnen, und vor allem aber: warum? Um nichts anderes als die Klärung dieser Frage müht sich Woche für Woche der Berufsstand der Fußball-Reporter. Eine verzweifelte, eigentlich unlösbare Aufgabe: denn wenn das Spiel sein eigentliches Wesen entfaltet – was selten genug passiert – und außer Rand und Band gerät, gilt weder Logik noch vorgegaukelte Moral. Die Totalität beanspruchenden Grundfesten des Spätkapitalismus sind außer Kraft – und die Sinnstifter von den Pressebänken zum Scheitern verurteilt.

Niemand vermag das im Moment eindeutiger unter Beweis zu stellen als der Sport Club Freiburg, der im Oberhaus des Fußballs, was die zählbaren Erfolge anbetrifft, mit einigen Anlaufschwierigkeiten ins Rennen gegangen ist. Alles, was heute über das Pokalmatch der Schwarzwälder gegen den Tabellenführer aus Frankfurt zu lesen ist, alles, was am Wochenende schon über die Bildschirme flimmerte, sind Versatzstücke und vergebliche Anläufe, zu beschreiben, was zu beschreiben nicht ist: Fußball pur.

Hoffnungsvoll lehnten sich die Kollegen zurück, als 20 Minuten lang ein vermeintlich verhalten eingestellter Sport Club sich endlich in die Regeln des Elite-Kicks zu fügen schien: hinten sichern, vorne auf die Chance lauern. Locker wurden Yeboahs Pfosten- (3. Minute) und Webers Lattenknaller (14.) notiert, gelassen erwartete man den Führungstreffer des Meisterschaftsanwärters.

Doch dann traf der Albaner Altin Rraklli zur Freiburger Führung (19.), und der Damm war wieder gebrochen: Frankfurt stürmte mit Macht, und hemmungslos antworteten die Freiburger mit fast schon anarchistischer Lust am Spiel. War es Pech, als die Frankfurter kurz nach der Pause zum vierten Mal Aluminium trafen, war es Glück, daß die Freiburger in Gestalt von Oliver Freund (48.) kurz davor zum zweiten Mal besser gezielt und den Frankfurter Anschlußtreffer (Bein, 52.) prompt mit dem 3:1 (Braun, 55.) beantwortet hatten? – Wer wollte das noch beurteilen bei einem Spiel, in dem fast jeder Angriff zur Torchance führte, in dem ein brillanter Rudolfo Esteban Cardoso die Freiburger Fans verzückte, Begeisterung und Schrecken in Sekundenschnelle wechselten, der Sport Club erneut einen Zwei-Tore-Vorsprung vergab, um in der Verlängerung mit Treffer vier und fünf das Stadion endgültig in ein Tollhaus zu verwandeln?

Auf der anschließenden Pressekonferenz mußte sie dann natürlich wieder kommen, die ernüchternde Frage der verzweifelten Chancen-Zähler: ob das überschwengliche, aber doch nach hinten so gefährlich offene Spiel der Freiburger denn auf Dauer auch den benötigten Erfolg garantiere. „Die Mannschaft ist mit der Flucht nach vorne gewachsen“, gab ein etwas genervter Trainer Volker Finke zu Protokoll, und daß es „schade wäre, wenn dieser Fußball auf Dauer gesehen nicht auch erfolgreich wäre“.

Frankfurts Coach und SPD- Mitglied Klaus Toppmöller, der sich schon vorab – „Bis zum Jahresende müssen wir 30 Spiele absolviert haben. Das hält der stahlgehärtete Körper eines Profis aus“ – als typischer Sozialdemokrat der Scharping-Ära ausgewiesen hatte, meckerte unnötigerweise über den Schiedsrichter. Half aber auch nichts. Und die bis zum Jahresende eingeplanten Pokalspiele muß Toppi jetzt eben im Stahlgewitter seiner Trainingseinheiten wettmachen.