■ Endlich ein konstruktiver Vorschlag:
: Feiertage für den Regenwald!

Feiertage sind wie ein gefundenes Portemonnaie: eigentlich weiß man, daß es einem nicht zusteht – und freut sich um so mehr über den glücklichen Fund. Mit dem Inhalt hat man nichts gemein – nur steckt man ihn ganz selbstverständlich ein. Jetzt verlangt die Pflegeversicherung plötzlich Finderlohn. Ein bis zwei Feiertage liegen auf dem Opfertisch des Sozialstaats, und man darf gespannt sein, wer nun am lautesten das „Haltet den Dieb!“ schreit – die Kirchenoberen oder die Gewerkschaftszentralen. Dabei muß hier nur dran glauben, woran eh keiner mehr glaubt. Fronleichnam, Allerheiligen, Mariä Himmelfahrt – kaum kennt man noch die Namen der Tage, geschweige denn ihren Sinn. Doch welch kollektive Andachten feiert da alljährlich die christlich-abendländische Kultur: Zeit zum Autowaschen, Kindermachen, Fußballspielen und Wäschebügeln. Nicht einmal mehr den Schein der Heiligkeit muß man wahren.

Okay, ein, zwei dieser Tage lassen wir uns ja noch nehmen, aber spätestens beim dritten würden wir wieder ganz fromm. Da würden wir streiten um etwas, was in einer säkularisierten Gesellschaft längst seine Legitimation verloren hat. Jeder vierte Katholik, so ermittelten die Allensbacher Demoskopen jetzt, kann mit der Kirche nichts anfangen und hat schon einmal den Austritt erwogen, rund 200.000 haben ihn allein 1992 auch wahr gemacht. Zwei Millionen Muslime in Deutschland glauben eh an keinen Gott, der erst von den Heiligen Drei Königen stürmisch begrüßt wird und dann zum Himmel fährt. Und auch Millionen Deutsche setzen nie einen Fuß in die Kirche. Warum also nicht endlich Abschied nehmen von einer Staats- religion, die nur noch auf der Lohnsteuerkarte und im Kalender existiert? Das Gedankenspiel ist verlockend: Was gut ist für die Pflegeversicherung, kann doch auch anderen guten Zwecken dienen. Wer den ersten und zweiten Feiertag abschaffen kann, kann auch den vierten und fünften, den elften und zwölften streichen: einen für den tropischen Regenwald, einen für ein vernünftiges Beschäftigungsprogramm, einen für den Aufschwung Ost, einen für menschenwürdige Altersheime. Die Arbeitnehmer bieten ihre Arbeitskraft künftig am Feiertag an, vorausgesetzt, auch die Arbeitgeberseite leistet einen entsprechenden Solidaranteil dazu. Wer weiterhin faulenzen will, trifft die Wahl für längeren Schlaf und kürzeren Lohn, wer feiertags arbeiten will, büßt und betet gemeinsam mit dem Chef und verzichtet auf einen Teil des Normalverdienstes – mal für die Umwelt, mal für den sozialen Frieden. Und wer wirklich andächtig in der Kirchbank knien will, kann es gerne tun – nur wird er dafür nicht mehr bezahlt. Vera Gaserow