■ Zum friedenspolitischen Grundsatzantrag der Grünen
: Pazifistischer Selbstbetrug

Manche Köpfe scheinen härter als Beton. Das zu beweisen, haben sich jetzt erneut einige prominente Grüne bemüht – auch solche, von denen man auf anderen Politikfeldern Besseres gewöhnt war. Der jetzt vorliegende friedenspolitische Grundsatzantrag – von bekannten Realos wie Linken gleichermaßen unterstützt – dokumentiert vor allem dies: die ängstliche Scheu vor der Realität. Wie einen Schutzschild tragen die AutorInnen ihre friedenspolitischen Gewißheiten von einst vor sich her, ganz so, als habe es die historischen Brüche der vergangenen Jahre nur im Fernsehen gegeben. Nichts kann die Weiter-so-Mentalität dieser Grünen erschüttern. Auch wenn Menschen von unbeirrbaren Aggressoren massenweise terrorisiert, vergewaltigt und ermordet werden, sehen die Grünen „keinen Anlaß“ für internationale militärische Gegengewalt. Geprägt ist der für den Parteitag im Oktober formulierte Grundsatzantrag von einem dogmatischen Sendungsbewußtsein, das nicht selten an schlichten Unsinn grenzende Leitlinien gebiert.

„Friedenserhaltende Maßnahmen in einem Krisen- oder Kriegsgebiet“, so formulieren die AntragstellerInnen naßforsch, „können nur mit humanitären Aufgaben, nicht aber mit direkten Zwangsmaßnahmen verbunden sein, wenn sie Erfolg haben sollen.“ Angesichts solcher apodiktischer Leitsätze möchte man den AutorInnen einen Besuch in Krisengebieten wie dem nördlichen Irak, der Heimat der irakischen Kurden, empfehlen. Dort könnten sie erleben, wie die von Saddam Hussein in die Berge getriebenen Kurden jetzt beruhigt nach oben schauen, wenn amerikanische oder englische Kampfflugzeuge über ihre Köpfe hinwegdonnern. Ohne diesen militärischen Beistand, der das Eindringen von Husseins Luftflotte in den Luftraum der Schutzzone verhindert, hätte das Gemetzel an den irakischen Kurden kein Ende genommen. Nur die von der UNO beschlossenen und von den Golfkriegs-Alliierten durchgeführten „direkten Zwangsmaßnahmen“ stoppten den Terror. Für Amerikaner und Briten gibt es gewiß auch andere als nur humanitäre Überlegungen, ihre Soldaten im Nordirak einzusetzen. Einen dauerhaften Frieden hat ihr Einsatz der Region ebenfalls nicht beschert, aber ohne ihre Präsenz hielte die blutige Verfolgung bis heute an. Die internationale Solidarität gebietet es, diesen Schutz aufrechtzuerhalten.

Käme die Position der Grünen zum Tragen, stünden nicht nur den irakischen Kurden bittere Zeiten bevor. „Überwachungsverbände mit zollpolizeilichem Charakter“ reichen ihnen ebensowenig wie den ums Überleben kämpfenden Muslimen in Bosnien- Herzegowina. Statt darüber zu diskutieren, welchen Beitrag deutsche Soldaten im Rahmen internationaler Befriedungsaktionen zum Schutz bedrohter Völker leisten könnten, wollen die Grünen die Bundeswehr möglichst umgehend „demobilisieren“. Ihr Leben für die Durchsetzung der Menschenrechte aufs Spiel zu setzen bleibt den Soldaten anderer Nationen vorbehalten. Aus Deutschland kommt allenfalls das Geld. Schlimmer kann man die besten Traditionen eines linken Internationalismus nicht verraten. Walter Jakobs