Gelassenheit in Israel

■ Neujahrsfest überstrahlt Washington

Tel Aviv (taz) – Während sich auf den israelischen Fernsehschirmen Pro- und Contra-Demonstrationen zur Anerkennung der PLO durch die Regierung ablösen, bleibt der „Mann auf der Straße“ von den historischen Ereignissen erstaunlich unberührt. Den meisten Israelis sind die Vorbereitungen für das am Donnerstag beginnende jüdische Neujahrsfest wichtiger als die Unterzeichnung eines Abkommens mit der PLO.

Allerdings darf damit gerechnet werden, daß der heute möglicherweise stattfindende Händedruck zwischen Israels Premierminister Rabin und PLO-Chef Arafat die Emotionen hoch schlagen lassen wird. Wenn israelische Politiker heute vor dem Weißen Haus mit dem PLO-Chef Versöhnung feiern, ist das für die Mehrheit der Israelis eine unglaubliche Angelegenheit.

Die vor zwei Wochen unter der Führung der Arbeiterpartei gegründete Dachorganisation zur Unterstützung der Regierungspolitik hat die Bevölkerung für heute zu einem demonstrativen Abschiedsgeleit für Rabin und Peres zum Flughafen aufgerufen. Autofahrer werden aufgefordert, zu Ehren des „großen Friedenstags mit Fahnen und leuchtenden Scheinwerfern zu fahren“. Die Lichter sollen „bis nach Washington leuchten“. – In Nazareth, im israelischen Kernland, fand gestern eine große Demonstration israelischer Araber zur Unterstützung der Abkommen zwischen PLO und israelischer Regierung statt. Tausende Demonstranten skandierten: „Friede zwischen Israel und Palästina!“ und „Es lebe die jüdisch- arabische Freundschaft!“ Unter den Teilnehmern waren Vertreter fast aller Parteien. Auch die Kommunisten und sogar Führer der Islamischen Bewegung, die der Hamas in den besetzten Gebieten nahesteht, waren beteiligt. Die Demonstranten trugen israelische und palästinensische Fahnen. Letztere waren noch vor ein paar Tagen streng verboten.

Scheich Abdallah Nimr Darwish, der Führer der Islamischen Bewegung in Israel, erklärte, den von vielen vorhergesagten Bürgerkrieg in den besetzten Gebieten werde es nicht geben. Die Fatah Arafats und die islamistische Hamas-Bewegung müßten gemeinsam für die Errichtung eines eigenen palästinensischen Staats an Israels Seite und für den Frieden arbeiten. In vielen israelischen und palästinensischen Nähstuben wurde in der letzten Woche Tag und Nacht an der Herstellung palästinensischer Fahnen gearbeitet. In Gaza allein haben lokale PLO-Institutionen 8000 solche Fahnen bestellt, um sie ab Montag zu hissen. Amos Wollin