■ Weg isser!
: Die Mitmenschen

Neulich am Telefon, ein neuerdings typischer Dialog. Wann ich denn käme, werde ich gefragt. „Einen Moment, ich seh' mal nach: 14.11 Uhr – ist das okay?“ – „Ach, Sie kommen mit der Bahn?“ – „Ja, wie denn sonst?“ – Äh, ich dachte ...“ – „Fahren Sie etwa noch Auto?“

Die letzte Frage hat sich als genial erwiesen. Antworten sind meist dürftig. Kein Wunder: Die Argumente der Automanen sind nicht immer so spritzig wie ihre rollenden Freunde. Und das wissen sie.

Nach zwei autolosen Monaten kristallisieren sich höchst interessante Reaktionsmuster der Mitmenschen heraus. „Sie haben kein Auto? Als Journalist? Geht das denn?“ Offenbar glauben viele, Journalisten seien ununterbrochen als rasende Reporter unterwegs – von einem Termin zum nächsten, vom Bankraub zum Interview zum Unfall zum Hintergrundgespräch.

Antwort: „Entschuldigung, ich kann im Auto weder schreiben noch lesen, noch mich konzentrieren, ich kann keine Leute treffen, nicht telefonieren, faxen oder meine Texte senden.“ – „Ja, da haben Sie auch recht ...“

Und fummeln an ihren Wagenschlüsseln herum: „Also, ich könnte das nicht. Allein wegen...“ Und dann kommt: Kinder oder Termine oder Schwiegermutter oder die Freizeit oder die Freiheit oder irgendeine andere Wichtigkeit. Aber prinzipiell finden sie es alle „richtig“ und „eigentlich vernünftig“ und „ökologisch gut“. Und winken beim Starten: „Viel Erfolg.“

Bei FreundInnen kommt noch etwas hinzu: Hilfsbereitschaft. Sie bieten ihren Wagen an, drängen sich fast auf: „Wenn du ihn mal brauchst ...“ – „Du, wir fliegen jetzt drei Wochen in Urlaub. Willste den Schlüssel?“ Sie wollen mich unter- und ihr wankendes Gewissen abstützen. Oder ein bißchen teilhaben an meiner Entscheidung, die sie „mutig“ finden und „toll“. Oder ist es Neid, weil sie immer noch zur Blechbüchsenarmee unserer Tage gehören? Bernd Müllender

(Ende der 10teiligen taz-Serie „Aus dem Tagebuch eines neuerdings autolosen Menschen“)