■ Berlinalien: Das offene Denkmal im Preußischen Landtag
Denkmäler sind auch fürs Volk gedacht. „Um Eintracht zu schaffen zwischen Fürsten und Volksstämmen“, meinte ein Redner bei der Grundsteinlegung des Hermannsdenkmals im Teutoburger Wald. Und damit das Volk das nicht vergißt, gibt es einen „Tag des offenen Denkmals“. In Deutschland und auch anderswo in Europa, am gestrigen Sonntag in Berlin. 35 Orte und Örtlichkeiten, an denen sich der Dunst der Geschichte abgelagert hat, konnten die BerlinerInnen näher betrachten, wurden geführt und belehrt, auf daß sich in ihnen die Liebe zur Historie rege.
Oder Verständnis für den Größenwahn ihrer politischen Vertreter (vgl. oben „Eintracht“). Wohl aus diesem Grunde hatte das Berliner Abgeordnetenhaus sich der Aktion angeschlossen und seinen Landeskonservator mit der Volkspädagogik betraut. Der setzte sich an die Spitze der Besucher-Bewegung durch die Räume des ehemaligen Preußischen Landtags, die mit 160 Millionen Mark für die bescheidenen Bedürfnisse der ParlamentarierInnen hergerichtet worden sind.
„Kiek ma an!“ denkt sich der Betrachter angesichts soviel Tradition, auf die er gleich im Foyer mit Füßen tritt. Da liegt der Terrazzo-Fußboden aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, als die preußischen Abgeordneten ihr neues Domizil einweihten, und über den 1918 der Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands ging. Da ziehen sich die breiten Treppen empor, 1936 eingebaut, als nach den Worten Görings aus dem „Haus der Schwätzer“ ein „Haus der Flieger“ geworden war. Da ist die Mitte des Foyers mit grau-weißen Kacheln gefliest, als das Haus zum Regierungssitz des DDR- Ministerpräsidenten umgebaut wurde.
Und seit April 1993 die Berliner Abgeordneten, die das Haus zwar als „Geschichtslesebuch“ propagieren, die Vergangenheit aber nichtsdestotrotz mal eingipsen, mal mit modernen Accessoires verdecken, mal schlicht entfernen ließen. Wie die Büsten Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, die hier 1918 die KPD gegründet hatten. Auch ein anderer historischer Bezug soll manchen Parlamentariern eher peinlich sein. Das neue Abgeordnetenhaus befindet sich gegenüber des Prinz-Albrechts-Geländes – wo Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt ihr mörderisches Geschäft betrieben. Bascha Mika
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