Kein Kandidat unter dieser Nummer

■ DVU-Bürgerschaftsbewerber scheuen die Öffentlichkeit / 92jähriger kandidiert nicht, steht aber auf der Liste

Man sieht sie nicht, hört nichts von ihnen und sie zu besuchen, fällt auch nicht gerade leicht. 63 Namen zählt die Bewerberliste der rechtsextremen Volksunion für die Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag. Doch mit der Öffentlichkeit wollen die Kandidaten lieber nichts zu tun haben.

Eine taz-Stichprobe ergab: Von den ersten zehn Kandidaten auf der DVU-Wahlliste für die Bürgerschaft stehen gerade sechs im Telefonbuch, von diesen war trotz mehrfacher Versuche nur ein einziger telefonisch zu erreichen. Ernst Sahling, ein 41jähriger Hotelkaufmann, wird bei einem DVU-Wahlergebnis über 5 Prozent zwar mit Sicherheit in die Bürgerschaft einziehen, wofür er sich dort einsetzen will, mag er aber nicht verraten. Seine Kenntnisse über das Parlament sind eher beschränkt. Danach befragt, in welchem Bürgerschafts-Ausschuß er in Zukunft Politik für die DVU machen will, belehrt er die taz, daß die Bürgerschaft über Ausschüße gar nicht verfüge. Das war uns neu, und mancheR Bürgerschaftsabgeordnete wird sich nun fragen, wo er oder sie den Großteil der vergangenen Jahre verbracht hat.

Ähnliche Erfahrungen wie dtaz machte ein Reporter der NDR-Hamburg-Welle. „Lassen sie mich in Ruhe“, „ich will nichts sagen“, „ich kann nichts sagen“, „da müssen sie in München (in der Parteizentrale, red.) anrufen“, sind die beliebtesten Ausflüchte. Immerhin, die Nummer 40 der Liste gibt sich ein wenig gesprächiger und erklärt dem Radio-Reporter erstmal, warum es in der ganzen Welt keine politische Verfolgung und folglich auch keine Flüchtlinge gibt: „In allen Staaten der Welt müssen sich die Menschen nach den bestehenden Gesetzen richten, (...), wenn man sich danach richtet und sich ruhig verhält, passiert einem ja auch nichts.“

Eine Nummer weiter wird's dann richtig spannend. Der 92jährige Kurt Krischer weiß gar nichts von seinem DVU-Glück. „Nein, ich kandidiere nicht,“ erklärte der als Nummer 41 aufgeführte Rentner dem Reporter der NDR-Hamburg-Welle, „ich weiß nichts von. Ich bin nicht Mitglied der DVU“. Daß er eine für die Wahlzulassung nötige Erklärung unterschrieben habe, daran kann sich Krischer nicht mehr erinnern.

Eine Unterschrift des 92jährigen liegt Landeswahlleiter Dirk Reimers dennoch vor. „Wir werden dieser Sache nachgehen,“ erklärt Reimers, weist aber daraufhin, daß sein Amt nicht die Unterschriften aller 464 Bürgerschaftskandidaten überprüfen könne. Theoretisch sei es schon möglich, daß jemand anderes unterschreibt.

Die DVU in München will von alledem nichts wissen. Der Deutschen Presseagentur erklärte ein Sprecher, die Vorwürfe aus Hamburg seien absurd. Und versichert, daß bei der DVU alles mit rechten Dingen zugehe.

Schleswig-Holsteins Landtagspräsidentin Ute Erdsiek-Rave ist da inzwischen ganz anderer Meinung. Ihr Fazit nach gut einem Jahr DVU im Kieler Landtag: Die kandidieren nur, „um die Parlamente als Bühne für ihre Propaganda zu mißbrauchen und um nach den Wahlen abzukassieren. mac/uex/lno.