Ein „Bremer Theaterhaus" im Concordia?

■ Die Kultursenatorin ruft nach neuen Konzepten für die altehrwürdige Theaterstätte / Freie und Tanztheater unter einem Dach?

Wenn das Zauberwort „Concordia“ fällt, dann kommt das Theatervolk ins Schwärmen. Aber es kommt nicht ins Concordia — meistens, weil einfach nichts läuft. Auf jener legendenumwobenen Bühne, deren „ganz besonderes Klima“, deren „Atmosphäre“, „Geschichte“ usw. mit leuchtenden Äuglein beschworen wird, geht derzeit nur 20mal pro Jahr der Vorhang hoch. Der Rest ist Probe, und Stillstand. Hans Kresniks Tanztheater, im Moment alleiniger Nutznießer des Hauses, könnte jedoch bald Gesellschaft bekommen: von den freien Theatermachern der Stadt, die — ermuntert von der Kultursenatorin wie auch neuerdings von der Theaterverwaltung — derzeit eifrig Ideen sammeln und Konzepte ersinnen, wie denn die schöne Bühne anders und vor allem öfter zu bespielen sei.

Einer offiziellen Aufforderung an die Freien kommt dabei der jüngst (in der taz vom 28.8.) veröffentlichte Kulturfahrplan der Senatorin gleich. Dort heißt es, das Ressort wolle prüfen, „ob den Freien Theatern das Concordia als Spielstätte überlassen werden kann“. Vorbehaltlich eines „kooperativ erarbeiteten Gesamtkonzeptes“ allerdings. Genau damit aber tun sich die Freien (wieder mal) schwer: Vor lauter guten Ideen, wie denn die altehrwürdige Bühne zu beleben sei, bleibt ohrenscheinlich kaum Zeit, einen Gedanken zu verschwenden an sowas wie gemeinsame Planung und Zusammenarbeit.

Tatsächlich sind die Ansprüche und Hoffnungen, die seitens der Freien mit einem Einzug ins Concordia verbunden werden, recht vielgestaltig. Dem langgehegten Traum vom „Bremer Theaterhaus“ sieht sich das Freiraum-Theater endlich nahe. Jürgen Müller-Othzen, Leiter der bescheidenen Theaterstätte in der Grundstraße, wünscht sich ein geräumiges „Haus, in dem organisiert wird, was internationales freies Theater heißt“. Ein Platz für die heimischen Kräfte, aber auch für Gastspiele auswärtiger Gruppen von Rang und Namen. Was sich derzeit an nur drei Spieltagen pro Woche in der Grundstraße drängt, könnte so „das ganze Jahr über“ im Concordia laufen.

„Tanz und Theater aus der Region“ möchten hingegen die Aktiven des Kontorhauses gern auf die verwaiste Concordia- Bühne bringen. „Das heißt: auch Amateure, wie zum Beispiel die Krüppel von Bremen“, erläutert Stefan Pleyn die Pläne seines Hauses. Damit wäre aus seiner Sicht auch ein „idealer Aufführungsort“ für all das gefunden, was im Kontorhaus produziert wird, und zwar vermehrt: Ende Januar '94 sollen die Werkstätten im Hause fertig ausgebaut sein — da könnte man das „Concordia ankoppeln“ und, zumindest tageweise, als Präsentierbühne für die heimischen Bühnenkünstler benutzen.

Eine verbindliche inhaltliche Linie wäre nach Ansicht der Kontorhäusler nicht unbedingt vonnöten. Als „Treffpunkt für die verschiedensten Sachen und Leute“ könnte das Concordia fungieren, denkt sich Pleyn; als Ort, an dem die Zuschauer vor Überraschungen nicht sicher sind. „Bremen hat eigentlich ein risikofreudiges Publikum“, sagt er, „das wäre wieder zu mobilisieren“.

Nach einer „künstlerischen Leitung“ fürs Concordia samt Konzept ruft derweil Carsten

Alltag im Concordia: Brachliegende Räume allenthalben — nur etwa 20 Tage p.a. wird das Haus bespielt.Foto: Katja Heddinga

Werner vom Jungen Theater. Damit kein buntgemischter „Kulturladen“ herauskommt, wenn die geballte Vielfalt von drei bis vier freien Theatern unter einem Dach zusammenkommt. Der Spielbetrieb im Jungen Theater, im Freiraum und den anderen freien Bühnen soll ungeschmälert bleiben; zusätzlich aber empfiehlt Werner „regelmäßige Concordia-Produktionen“, die dem Haus Profil geben sollen. Auch im Hinblick

auf die Finanzierung des Unternehmens: „Ein erkennbares spe

hierhin das leere Zimmer

zifisches Profil und eine klare wirksame Öffentlichkeitsarbeit vorausgesetzt, müßte sich für ein solches Projekt ein potenter Sponsor finden lassen.“

Denn daß sich ein neues „Bremer Theaterhaus“ im Concordia von selbst bezahlt macht — davon gehen auch die freien Kulturplaner nicht aus. „Das einzige Theater, das sich trägt, ist das Schmidt-Theater in Hamburg“, weiß Werner. „Eine weitere Kabarett-, Boulevard- und Unterhaltungs-Spielstätte“ aber soll das Concordia nicht werden.

Sondern ein Ort, an dem sich z.B. das Tanztheater der Freien mit dem Bremer Tanztheater Kresniks begegnet. So ungefähr kann es sich schließlich auch Rolf Rempe vorstellen, der derzeit die Geschäfte der Theater GmbH führt. Durch einen Bundschluß mit den Freien hofft er, „den Spielplan im Concordia noch etwas stärker zu beleben“ - auch durch vermehrte Initiativen aus dem eigenen Hause. Ähnlich wie schon in der vergangenen Spielzeit, könnten z.B. Regieassistenten des Tanz-, aber auch des Sprechtheaters ihre Experimentierbühne im Concordia bekommen. Da klingt es dann schon fast nach dem Ethos der Freien Theaterleute, wenn Rempe sagt: „Wir wollen mit Kreativität ohne großes Geld zeigen, was Theater auch sein kann.“

Dem Aufsichtsrat der Theater GmbH hat Rempe bereits mehrere Modelle vorgelegt, wie

denn die neuen Verhältnisse im Concordia aussehen könnten. Demnach ist alles Mögliche denkbar und machbar: Von einer Beteiligung freier Gruppen unter der Obhut des Theaters über eine gemeinsame „Betreibergesellschaft“ bis hin zu einer „Spielstätte der freien Gruppen, in der wir nur Gastrecht haben.“ Alles vorbehaltlich der Einwilligung des frisch gekürten Generalintendanten, Klaus Pierwoß. Der aber gibt sich allseits offen und bescheinigt sich selbst, wie es auch die Bremer Freien tun, „keine Berührungsängste“ zu haben.

Für die Freien untereinander gilt das freilich nur eingeschränkt. Es soll zwar schon irgendwie ein Miteinander geben im künftigen Concordia-Club. Aber eben nicht mit jedem und allen. So deutlich Verwaltungsdirektor Rempe und auch Senatorin Trüpel nach einem festen und verläßichen Ansprechpartner bei den Freischaffenden rufen, basteln diese doch unverdrossen im Kämmerlein an ihren ganz eigenen Thesen- und Projektpapieren. Und drohen damit, die zarten Blütenträume vom „Bremer Theaterhaus“ gleich schon wieder platzen zu lassen — wider alle Selbsterkenntnis: „Wenn wir es nicht schaffen, uns miteinander an einen Tisch zu setzen“, ahnt Stefan Pleyn vom Kontorhaus, „dann brauchen wir von einem gemeinsamen Theaterhaus gar nicht zu sprechen.“ Thomas Wolff