In Genf wird eisern weiterverhandelt

Schwere Kämpfe in Bosnien und Kroatien / Izetbegović und Tudjman verhandeln über Adriahafen / Aspin bietet 25.000 US-Blauhelme für Bosnien – wenn Westeuropa mitzieht  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die Präsidenten Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens, Alija Izetbegović und Franjo Tudjman, wollen ab heute morgen in Genf über den von den bosnischen Muslimen verlangten Zugang zur Adria sowie über die Lage in der Region um die herzegowinische Hauptstadt Mostar verhandeln. In einem Telegramm an die EG-Außenministerkonferenz vom Wochenende hatte Tudjman zuvor sein Einverständnis mit dem Bau eines Adriahafens in dem von der Regierung Izetbegović verlangten Küstenort Neum erklärt. Laut Bundesaußenminister Klaus Kinkel will Deutschland gemeinsam mit Frankreich eine Machbarkeitsstudie für den Hafenbau erstellen. Nach Vorstellung der Kroaten sollen die Muslime das Hafengelände sowie möglicherweise das umliegende Territorium dann kaufen können. Ob dieses Gebiet aber damit auch Hoheitsgebiet der künftigen bosnisch-muslimischen Teilrepublik werden soll, blieb zunächst unklar. Izetbegović dürfte hierauf ebenso bestehen wie auf einer Landverbindung zwischen Neum und seiner Teilrepublik.

Die Gespräche über eine politische Lösung werden erschwert durch die anhaltenden schweren Kämpfe zwischen bosnischen Kroaten und den zumindest in Zentralbosnien überwiegend muslimischen Regierungstruppen. In der Nacht zum Montag führten kroatische Milizen schwere Artillerieangriffe gegen den Ostteil Mostars, in dem weiterhin rund 55.000 muslimische Zivilisten eingeschlossen sind. Erstmals setzten die Kroaten dabei auch schwere Haubitzen vom Kaliber 203 Millimeter ein. Im nordwestlichen Bihać, das nach dem Dreiteilungsplan der beiden Vermittler Owen und Stoltenberg künftig Teil der bosnisch-muslimischen Teilrepublik sein soll, wurden die hier noch muslimisch-kroatischen Regierungstruppen von gemeinsamen Verbänden bosnischer und kroatischer Serben angegriffen.

Das muslimische Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, Fikret Abdić, der als starker Mann von Bihać und als Gegenspieler von Präsident Izetbegović gilt, hatte am Wochenende die Autonomie seiner Region ausgerufen. Öffentlich begründete Abdić diesen Schritt mit dem Vorwurf an Izetbegović, diesen nordwestlichen Zipfel Bosniens vernachlässigt und nicht ausreichend gegen die Serben geschützt zu haben. Beobachter der Genfer Bosnien- Konferenz schließen allerdings nicht aus, daß es Abdić vor allem darum geht, sich rechtzeitig vor Wahlen in einer bosnisch-muslimischen Teilrepublik – zu der Bihać laut dem Owen-Stoltenberg-Plan gehören würde – die Region seiner Kontrolle zu unterstellen und ihr wirtschaftliches Überleben wie schon in den vergangenen Kriegsmonaten durch Geschäfte mit Serben und Kroaten zu sichern.

Möglicherweise wird noch heute auch Serbiens Präsident Slobodan Milošević zu Verhandlungen mit Tudjman über eine Beilegung der anhaltenden schweren Kämpfe zwischen Serben und Kroaten um die kroatische Krajina nach Genf kommen. Nach Auskunft des UNPROFOR-Hauptquartiers in Zagreb ignorierten die Krajina-Serben wie die kroatischen Regierungstruppen auch am Montag den Aufruf des UNPROFOR-Oberkommandierenden General Cot für einen sofortigen Waffenstillstand. Nachdem die Serben am Wochenende eine allgemeine Mobilmachung angeordnet hatten, beschossen sie gestern unter anderem die 50 Kilometer südöstlich von Zagreb gelegene Stadt Karlovać sowie die Industriestadt Sisak mit schwerer Artillerie und Raketenwerfern. Nach einer Meldung der Belgrader Agentur „Tanjug“ drohten die Krajina-Serben mit dem Einsatz bislang nicht verwendeter Waffensysteme, falls sich die kroatischen Truppen nicht aus den von ihnen am letzten Donnerstag eroberten drei Dörfern zurückziehen. Aufgrund der schweren Kämpfe setzten „Lufthansa“ und die österreichische Fluggesellschaft „Austrian Airlines“ ihre Flüge nach Zagreb vorerst aus.

Im nordgriechischen Saloniki trat gestern der Nato-Militärausschuß zusammen. Auf der Tagesordnung stand unter anderem die Frage, welche westeuropäischen Mitgliedsstaaten der Allianz wie viele Soldaten für internationale Truppen zur Durchsetzung und Überwachung eines künftigen Bosnien-Abkommens abstellen werden. US-Verteidigungsminister Lee Aspin hatte am Wochenende in Brüssel öffentlich die Bereitschaft seiner Regierung zur Entsendung von bis zu 25.000 GIs erklärt. Das werde der US-Kongreß jedoch nur billigen, wenn die Westeuropäer gemeinsam dieselbe Anzahl von Soldaten stellen.