Gemengelage oder politischer Mord?

■ Prozeß um den Tod eines Berliner Hausbesetzers begann

Berlin (taz) – Unter Ausschluß der Öffentlichkeit hat im Berliner Kriminalgericht gestern der Prozeß um den Tod des 27jährigen Ostberliner Hausbesetzers Sivio Meier begonnen. Der ehemalige DDR-Oppositionelle war im November vergangenen Jahres auf einem U-Bahnhof in Friedrichshain von Hooligans erstochen und zwei seiner Freunde waren durch Messerstiche zum Teil schwer verletzt worden (die taz berichtete).

Vor einer Jugendstrafkammer müssen sich nun ein 18jähriger Schüler und zwei 17jährige Auszubildende verantworten. Den beiden in Untersuchungshaft sitzendenen Hauptangeklagten legt die Staatsanwaltschaft Totschlag beziehungsweise Verdacht des versuchten Totschlags zur Last. Der dritte Angeklagte, gegen den der Vorwurf der Beteiligung an einem Angriff mit Todesfolge erhoben wird, befindet sich auf freiem Fuß. Alle drei kommen, ebenso wie das Opfer Silvio Meier, aus den Ostteil der Stadt.

Während die Angeklagten drinnen unter Ausschluß der Öffentlichkeit zum Tathergang vernommen wurden, fand vor den Toren des Kriminalgerichts eine von Silvios Freunden und Anhängern antifaschistischer Gruppen initiierte Kundgebung statt. Zwischen 100 und 200 zum Teil sehr junge überwiegend szenetypisch schwarz gekleidete Männer und Frauen waren gekommen. Was die Freunde von Silvio am meisten empört, ist, daß die Staatsanwaltschaft nach wie vor daran festhält, die Tat habe keinen politischen Hintergrund, sondern sei das Ergebnis einer zufälligen Auseinandersetzung zwischen zwei unterschiedlichen Gruppen. Denn für Silvios Freunde und politische Mitstreiter steht fest: Der 27jährige wurde von Rechtsradikalen, die zum Umfeld organisierter Nazis gehörten, „ermordet, und das wußte die Polizei von Anfang an“. Wer so zusteche, wie die Angeklagten und dabei „Ihr linken Säue!“ schreie, der „will töten“, rief eine Frau auf der Kundgebung durch den Lautsprecher. Auch den Umstand, daß Silvios Verlobte und dessen Eltern im Prozeß aufgrund des Jugendgerichtsgesetzes nicht als Nebenkläger zugelassen worden sind, werteten die Kundgebungsredner als Indiz dafür, daß die Wahrheit unter den Teppich gekehrt werden soll.

Der Prozeß wird mindestens bis Anfang Oktober dauern. Die Verteidigerin einer der Angeklagten erklärte gegenüber der Presse gestern auf die Frage, wie es zu der Tat gekommen sei: „Es war eine Gemengelage, die sich hochgeschaukelt“ habe, weil einer der Hooligans einen Deutschland- Aufnäher an der Jacke hatte. „Das ist nicht politisch, sondern schwachsinnig.“ plu