Kirche auf Parkett

■ Elf kirchliche Dienste jetzt in Schwachhauser Villa mit SA-Tradition versammelt

Seit der Bremer Landesjugendpfarrer Ingbert Lindemann mit seiner Geschäftsstelle in das neue „Haus kirchlicher Dienste“ zwischen Hollerallee und Parkstraße umgezogen ist, beschäftigt ihn eine Frage ganz besonders: „Wieviel Geld verträgt das Evangelium?“ Und auch sein neuer Zimmernachbar, der Leiter des Evangelischen Bildungswerks Konrad Pöpel, wundert sich manchmal über seinen Arbeitsplatz: „Wir arbeiten hier auf Parkett, was denken wohl die Besucher unseres Arbeitslosenzentrums in Tenever darüber?“

Tatsächlich kann sich die Bremische Evangelische Kirche mit ihrer neuen, gut fünf Millionen Mark teuren Immobilie im Schwachhauser Establishment durchaus sehen lassen. 1902 als Wohnsitz einer großbürgerlichen Familie gebaut, hatte nach der Auswanderung des Eigentümers 1934 die SA Gefallen an der üppigen Villa gefunden. Nebenan war Bürgermeister Böhmcker eingezogen, zwei Häuser weiter, im heutigen Standesamt, residierte die Parteizentrale der Bremer NSDAP. Aus dem SA-Domizil heraus wurde am 9. November 1938 der Befehl zur Reichspogromnacht gegeben, in der fünf Bremer Juden ermordet wurden. Nach dem Krieg wurde das inzwischen wieder in den alten Familienbesitz zurückgekehrte Haus als Bürogebäude genutzt.

„Die Geschichte des Hauses verpflichtet uns in doppelter Weise“, sagt denn auch Konrad Pöpel, „und zwar zur Auseinandersetzung mit dem deutsch-jüdischen Verhältnis und mit den Folgen der heutigen Zweidrittel- Gesellschaft.“ Und Jürgen Seipel, Leiter des „kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt“, kann aus dem edlen Ambiente seiner Arbeitsstelle nur den Schluß ziehen: „Wir müssen jetzt ganz normale Leute mit ganz normalen Fragen hier reinholen.“

Ob das mitten im teuren Schwachhausen gelingen wird, war auch eine offene Frage, als im Kirchenvorstand über den Ankauf des Hauses entschieden wurde. „Eigentlich wollten wir mit unseren Angeboten, die ja für alle da sein sollen, in die Innenstadt“, erinnert sich Kirchenausschuß-Mitglied Inge Gurlit. Doch dann sei man per Zufall auf die Villa mit ihrem wunderschönen Garten gestoßen und habe sich gedacht: „Lieber ein offenes Haus der Kirche als noch ein Maklerbüro.“

Die offizielle Eröffnung des „Hauses kirchlicher Dienste“ wird ab Freitag bis Anfang Dezember von einer Veranstaltungsreihe begleitet. Am Samstag, 18.9., ist ab 15 Uhr Haus der Offenen Tür und am Abend ein Gartenfest. In der Villa an der Hollerallee 75 sind untergebracht: Ev. Bildungswerk, Ökumenische Initiative, Religionspädagogische Arbeitsstelle, Landesjugendpfarramt, Jugendbildungswerk, kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, Arbeitslosenprogramm, Umweltbeauftragter, Gehörlosenseelsorge, Ev. Medienzentrale und die Video-Werkstatt „Neue Horizonte“. Ase