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SPD gegen SPD vor dem Arbeitsgericht

■ Beschäftigungsträger Jugendwerkstätten verlieren in Serie Kündigungs-Prozesse gegen MitarbeiterInnen

Die Jugendwerkstätten geraten wieder in die Schlagzeilen: Der größte bremische Beschäftigungsträger verliert ein Arbeitsgerichtsverfahren nach dem anderen. Hintergrund: Als im vergangenen Jahr die ABM- Misere und Mißmanagement bei den Jugendwerkstätten Bremen (JWB) öffentlich wurden, hatte die Geschäftsführung eine Reihe von Kündigungen ausgesprochen, um den Konkurs abzuwenden. Das ist allerdings offenbar so dilettantisch gemacht worden, daß nun nach und nach all die Kündigungen für unwirksam erklärt werden, gegen die die Beschäftigten gerichtlich angegangen sind. Doch trotz der offensichtlichen Aussichtslosigkeit, auch nur einen Blumentopf zu gewinnen, halten die JWB voll dagegen: Die Mittel zur Weiterbeschäftigung seien nicht da, argumentiert der JWB-Anwalt.

Zum Prozessieren scheinen sie aber zu reichen: Bei der Planung des Senats zur Umstrukturierung der Jugendwerkstätten und der angeschlossenen Ausbildungswerkstatt wurden bei den Posten Rechtsberatung und Prozeßkosten vorsorglich 250.000 Mark bereitgestellt. Der JWB-Anwalt kann sich also freuen. Und gestern stand eine ganz pikante Paarung vor dem Arbeitsrichterin: Jutta Kellmann-Hoppensack versus JWB. Kellman-Hoppensack und der JWB-Geschäftsführer Christian Weber haben dasselbe ungewöhliche Hobby: Arbeit für die Partei. Im Nebenberuf sitzen sie beide in der SPD- Bürgerschaftsfraktion.

Und auch der JWB-Anwalt ist kein Unbekannter. Helmut Dücker, Staatsrat a.D., war früher als Chef der Senatskommission für das Personalwesen zweiter Mann hinter Claus Grobecker. Außerdem ist er Mitglied im Trägerverein der Jugendwerkstätten.

Jutta Kellmann-Hoppensack hatte einen leitenden Posten beim Recyclinghof unter den JWB-Fittichen, aber nur bis Ende März 1993. Zu diesem Zeitpunkt war ihr nämlich gekündigt worden, genauso wie sechs anderen KollegInnen aus allen Betriebsteilen. Diese sieben waren die ersten Vorboten einer Welle, die am 18. Dezember 1992 angekündigt worden war. Da nämlich hatte die Geschäftsführung dem Betriebsrat mitgeteilt, daß 40 MitarbeiterInnen gehen müßten. Was alle eint: Alle Kündigungen scheinen gleich rechtsunwirksam zu sein.

Noch nicht einmal die Zeugen mußten gestern vernommen werden, so glasklar war der Fall dem Arbeitsgericht: Ein mangelhaftes Anhörungsverfahren, die Kündigung ist unwirksam. Als die Geschäftsführung dem Betriebsrat berichtete, wen sie zu entlassen gedanke, geschah das im Hauruck-Verfahren. Die Geschäftsführung trug ihre Entscheidung allein mündlich vor, eine schriftliche Begründung gab es für den Betriebsrat nicht. Vom kleinen Einmaleins des Betriebsverfassungsgesetzes scheinen die JWB aber nichts gewußt zu haben. „Soll sich das der arme Betriebsrat merken? Wie soll das denn gehen“, fragte die Richterin den JWB- Anwalt. Doch der konnte das auch nicht beantworten. Nach einer knappen Stunde war der Tenor der Entscheidung klar: Jutta Kellmann-Hoppensack muß weiterbeschäftigt werden.

Von insgesamt 30 Kündigungen haben sieben ehemalige Beschäftigte akzeptiert und eine Abfindung angenommen. Bei weiteren vier hat JWB die Kündigungen zurückgenommen und in unbefristete Verträge verwandelt. Begründung: Das seien MitarbeiterInnen, die man möglicherweise noch brauche, wenn JWB in eine neue Gesellschaft überführt werde. Daß JWB nicht bankrott gehen und stattdessen eine neue Gesellschaft gegründet werden soll, hatte der Senat beschlossen. Die übrigen 19 Fälle landeten alle in den Mühlen der Arbeitsgerichte. Bei zweien ist JWB schon in die Berufung gegangen. Dort hatte das Gericht gerügt, die Geschäftsführung hatte zur Begründung für die Kündigungen nur unspezifische Stichworte geliefert. Ein hanebüchener Formfehler. Dabei stehen JWB mit dem Verwaltungschef Büssenschütt und dem Vereinsanwalt Dücker zwei versierte Juristen zur Seite.

Noch wartet JWB auf die endgültige Entscheidung, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Geplant ist, Teile von JWB in eine neuen Beschäftigungsgesellschaft zu überführen. Das soll noch im Oktober passieren. Der JWB- Betriebsrat hat für diesen Übergang zwar einen Sozialplan von 700.000 Mark ausgehandelt, doch das scheint nicht zu reichen, aufgeräumt in die neue Firma überzugehen. Die erbt einen zähen Rechtsstreit: Der nächste Termin vor Gericht findet im kommenden Januar statt. Jochen Grabler

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