Hochglanz gegen Olympia

■ Olympiagegner drohen dem IOC in einer aufwendigen Broschüre mit unregierbaren Verhältnissen / Die Aufmachung ist der offiziellen Bewerbung nachempfunden

Weder Kosten noch Mühe scheuen offenbar derzeit die Berliner Olympiagegner, wenn es darum geht, auf das IOC und seine Mitglieder einen „gewaltigen“ Eindruck zu machen. „Berlin 2000 – NOlympic City“: Hinter diesem schlichten Titel verbirgt sich eine 42seitige Hochglanzbroschüre in Vierfarbdruck, die der taz vorliegt und die bereits an die 91 IOC-Mitglieder verschickt wurde, die am 23. September in Monte Carlo über die Vergabe der Spiele zu entscheiden haben. Die Sieger der Spiele stehen für die Olympiagegner bereits fest: Die Bevölkerung Berlins und „ihre unnachgiebige Opposition gegen die Durchführung der Spiele“.

Blättert man die äußerst professionell gestaltete und in Aufmachung und Stil der offiziellen Bewerbung nachempfundene Broschüre durch, wird man den Eindruck nicht los, als bestünde die Berliner Geschichte aus einer unendlichen Reihe von Krawallen und Revolutionen. Insbesondere die militanten Aktionen der Berliner Olympiagegner stehen, reich bebildert und deutsch und englisch kommentiert, im Vordergrund. Der Eindruck, der sich dem IOC dabei aufdrängen soll: Die Spiele im Jahr 2000 in Berlin sind nur um den Preis polizeistaatlicher Maßnahmen oder psychischer und physischer Beeinträchtigung der Funktionäre durchzuführen. So zeigt ein Vierfarbfoto den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen während der Auseinandersetzungen bei der „feierlichen“ Grundsteinlegung für die Radsporthalle im Prenzlauer Berg. In der Bildunterschrift heißt es: „Olympiagegner versuchen den Regierenden Bürgermeister von Berlin (...) anzugreifen.“ Ein anderes Bild zeigt in einer Fotomontage das KaDeWE, auf das im April vergangenen Jahres ein Brandanschlag verübt wurde, als burning departement store.

Krawalle als Berliner Normalzustand suggeriert auch ein Foto, das den Bundespräsidenten von Weizsäcker bei seiner Rede am 8.November im Lustgarten zeigt: Er ist von Polizeischilden und umbrellas abgeschirmt. Gleichfalls mit dabei: Barrikaden in der Mainzer Straße, brennende Luxuslimousinen und jede Menge Straßenschlachten („a police van attacked by young people – Berlin“). In einer ausklappbaren Sonderseite werden die Aktionen militanter Olympiagegner minutiös aufgelistet. Auch hier ist Farbe mit im Spiel: So wurde aus Anlaß einer PR-Veranstaltung der Olympia GmbH im Hohenschönhausener Sportforum das Wasser im Schwimmbecken mit Leuchtfarbe eingefärbt. Für die Macher der Broschüre steht damit außer Frage, daß der „olympische Widerstand mehr ist als ein Strohfeuer oder die Politik einer Minderheit“.

Im Textteil der Broschüre, die für zehn Mark im einschlägigen Szenehandel zu erwerben ist, wird Berlin als Stadt beschrieben, die sich vor allem durch sozialen und kulturellen Kahlschlag auszeichne. Olympia spiele dabei die Rolle, als „Schmiermittel zur Durch- und Umsetzung einer Global-City“ zu wirken und Zustimmung bei der „Zurichtung einer Stadt nach den Bedürfnissen der Reichen“ schaffen zu wollen. Doch die Berliner Bevölkerung, so das Resümee, „ist nicht ruhigzustellen. (...) Im Gegenteil, geht alles so weiter, wird die Anti-Olympia-Stimmung im Jahr 2000 gewaltig sein“, heißt es unmißverständlich. Uwe Rada