Berlin liegt im olympischen Reisefieber

■ Neben dem Bewerbungsteam reisen Hunderte von Berlinern nach Monte Carlo

Die frohe Botschaft des Sprechers löste beim Dienstherrn zwiespältige Assoziationen aus. „Ich darf“, so verkündete Christian Fürstenwerth gestern, „Herrn Nawrocki verabschieden.“ Das wäre, so legte dieser seine geheimsten Ängste offen, „Sache des Aufsichtsrates und nicht des Pressesprechers“. Doch das Lebewohl war nicht endgültig gemeint, es galt nur der Reise, die der Chef der Olympia GmbH in den nächsten Tagen gen Monte Carlo antritt. Dort fällt am 23. 9. die Entscheidung über den Austragungsort der Spiele im Jahr 2000. Vom Ergebnis dieser Reise wird auch das weitere Schicksal Nawrockis abhängen.

Doch bevor diese Personalie entschieden wird, muß Berlin erst mal den Zuschlag erhalten. Eine Stunde steht den Berliner Repräsentanten am Morgen des 23. zur Verfügung, um einen nachhaltigen Eindruck bei den IOC-Mitgliedern zu hinterlassen. Nach dem NOK- Vorsitzenden Walter Tröger wird der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen das Wort ergreifen und mit medialer Unterstützung eines Filmes eine Eloge auf seine Stadt halten. Dabei werden ihm neben Nawrocki Bundesinnenminister Manfred Kanther, Daimler-Chef Edzard Reuter, Tennis-As Steffi Graf und Rekordschwimmerin Franziska van Almsick zur Seite stehen. Begleitet wird das Bewerbersextett von einem hundertköpfigen Berliner Olympiakader der „A-Kategorie“, in dem sich Aufsichts- und Beiräte sowie NOK-Vertreter und Sportler befinden, sowie etwa 250 gemeine Mitglieder des Förderkreises, der „B-Kategorie“.

Daß auch einige Berliner in Monte Carlo stehen werden, hat Nawrocki ausgerechnet der CDU zu verdanken. Denn nachdem der Landesvorsitzende Diepgen Anfang September die Parole „1000 für 2000“ ausgab, verschickte die Partei 6.500 Einladungen zu einer Busreise an ihre Mitglieder. Pikanterweise wurden diese CDU-Werbungsbriefe mit dem Bärchenstempel der Olympia GmbH verschickt. Bis jetzt haben sich etwa 500 Berliner beim Reisebüro „Wesra“ angemeldet. Sehr viel mehr werden es kaum werden, denn die Einladung war keine echte. Die Olympia-Fans müssen für die Reise und eine Übernachtung 294 Mark hinblättern. Ein Preis, den das Busunternehmen „Holiday-Reisen“ für überzogen hält. Das Unternehmen bot in Annoncen die gleichen Leistungen für hundert Mark weniger an. Inzwischen gilt die Offerte aber nicht mehr. Nachdem die Olympia GmbH Mißfallen über das Angebot signalisierte und nach dem schweren Unglück am 5. September hat Holiday-Reisen das Angebot zurückgezogen. dr/aku

Siehe auch Seiten 18 und 20