„Konzerninteressen setzen sich durch“

■ Die Planer des Potsdamer Platzes, Hilmar und Sattler, üben heftige Kritik an den Bebauungsplänen von Daimler-Benz

In wenigen Wochen werden am Potsdamer Platz die ersten Baugruben ausgehoben, doch was an diesem zentralen Ort entsteht, hat mit der ursprünglichen Planung nur noch wenig zu tun. Der Sieger des städtebaulichen Wettbewerbes, das Münchner Architektenduo Heinz Hilmer und Christoph Sattler, sieht mittlerweile die Ergebnisse seiner Arbeit gefährdet, da „die bauliche Entwicklung auf dem größten der Einzelgrundstücke des Potsdamer Platzes, dem von Daimler-Benz, in die verkehrte Richtung läuft“. Die beiden Chefplaner formulierten nun in einem offenen Brief heftige Kritik an den bisherigen Konkretisierungen ihrer Vorgaben. Der Adressat, Bausenator Wolfgang Nagel, sah sich gestern nicht in der Lage, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. In seinem Hause, so erklärte ein Sprecher, sei der Brief noch nicht eingetroffen, der Senator sei jedoch verärgert über dieses Vorgehen der Architekten.

Hilmar und Sattler kritisieren vor allem, daß „die Verteilung der Funktionen auf dem Daimler- Benz-Grundstück in die falsche Richtung“ läuft. „Nicht am Potsdamer Platz und der Neuen Potsdamer Straße, die als städtebauliches Verbindungsglied zwischen Innenstadt und bislang isoliertem Kulturforum gedacht ist, lagern sich die publikumsintensiven Nutzungen an, sondern dieselben sind den Innenzonen des Daimler-Benz- Grundstückes zugewandt“. Wie Sattler gegenüber der taz erklärte, nehme die Architektur dort die gleiche Fehlentwicklung, wie sie bereits beim Sony-Bau zu verzeichnen sei. Er kritisiert vor allem, daß mit einem „unsäglichen“ riesigen Shopping-Center ein nach innen orientierter Einkaufsbereich geschaffen werde, hingegen sich die eigentlich als urbanste Stelle geplante Piazza mit dem Musicaltheater hinter der Staatsbibliothek befinde. Daimler-Benz wende sich damit von der Stadt ab.

Der Wohnanteil an der Gesamtbebauung, der zwischen dem Senat und Daimler auf 20 Prozent vereinbart wurde, „wird nicht in Form normaler Wohnungen realisiert“. Statt dessen würden wenige Großeinheiten als Sonderwohnformen entstehen, „eine Perversion der ursprünglichen Ideen“. Ihre Vorgaben sehen die Architekten weder bei der riesigen unterirdischen Anlage für den Anliegerverkehr noch bei dem Querschnitt der internen Straßen gewahrt. Damit, so Sattler zur taz, „setzen sich die Konzerninteressen gegenüber den Bedürfnissen der Stadt durch“. Diese Tendenz sei zwar immer dagewesen, doch hätten die politisch Verantwortlichen dem „nicht hinhaltend Widerstand geleistet“. Unter denen gebe es Leute, „die ein Shopping-Center nicht so schlimm fanden“. Trotzdem gibt Sattler die Hoffnung nicht auf: „Solange man noch nicht angefangen hat zu bauen, kann man gegensteuern.“ Das sei eine Frage des politischen Willens des Senats. Dieter Rulff