Wiederkehr der 10 Gebote

■ Der CDU-Parteitag in Berlin ließ über "eine neue Medienethik" meditieren

„Ich bin echt irritiert“, gestand Pro 7-Geschäftsführer Georg Kofler und erklärte: „Ich verstehe gar nicht, was Sie gegen marktwirtschaftliche Medien haben, auf den Unterlagen steht doch Parteitag der CDU.“ In der Tat hatten zuvor nicht irgendwelche linken Moralisten an den Pro 7-Chef appelliert, er möge doch im Programm mehr Verantwortung erkennen lassen. Nein, es waren die Delegierten des Berliner CDU-Parteitages: „Für eine neue Ethik der Medien“ prangte über dem Podium des Montagsforums.

Doch Kofler war zu Recht irritiert. Mußte er doch erneut den Zwiespalt ertragen, in dem sich die CDU/CSU-Medienpolitik befindet. Zehn Jahre nach Einführung des „Dualen Systems“ winken die Christdemokraten nun plötzlich mit dem gelben Sack und wollen Moral- und Sittenwächter der Nation spielen. Also faselte in der Eingangsrunde auf dem Podium jeder brav etwas vom Nebeneinander von Öffentlich-Rechtlichen und Kommerziellen und appellierte an die Verantwortung der Medienmacher – freilich so allgemein, daß Kirch, Springer & Co. nicht verschreckt werden. Das „verantwortete Machbare drehen und senden“, formulierte Staatssekretärin Cornelia Yzer aus dem Bonner Frauen- und Jugendministerium. Auch an die KonsumentInnen appellierte sie: bei Gewaltszenen einfach ausschalten.

Zuviel „bad news“ bei ARD und ZDF

Als Ultra-Moralo stand ihr der CDU/CSU-Mediensprecher Joseph Theodor Blank bei: „Manche Programmexzesse im Fernsehen verstoßen gegen Menschenwürde und Menschenrechte.“ Bedenklich fand Blank auch, daß bei ARD und ZDF das Verhältnis von guten und schlechten Nachrichten nicht mehr stimme: zuviel bad news.

SFB-Intendant Günter von Lojewski (CSU-nah), von der IG Medien verdächtigt, in seinem Sender als „trojanisches Pferd des Kommerzfunks“ zu wirken, gab sich als Verteidiger seines Systems: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dient dem Humanen, der kommerzielle dem Inhumanen.“ Daher bedürfe es bei ersteren natürlich keiner neuen Medien-Kontrollgremien; außerdem verfügten sie ja schon über Rundfunkräte. Und überhaupt: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei „das soziale Element der Medien-Marktwirtschaft“.

Ex-Postminister Christian Schwarz-Schilling, der Mann, der uns (nicht nur) den Videotext bescherte, blätterte im Alten Testament: „Medien halten uns einen Spiegel vor, wie wir in dieser Gesellschaft leben: ohne Gottesbild, ohne Menschenbild, ohne Zehn Gebote.“ Was da not tue, sei keine neue Ethik, „sondern einfach die Ethik, die wir alle eigentlich gelernt haben müßten“. Sitzungsprotokoll: starker Beifall, vereinzelte Bravorufe.

Doch mancher und manchem waren diese großen Worte zu lasch. Einige Parteitags-Delegierte forderten, daß doch der Staat hier wirksam werden müsse, und wünschten sich wohl insgeheim eine „Aktuelle Kamera“, halt nur in Schwarz: „Wenn die Selbstkontrolle der Sender nicht funktioniert, dann muß der Staat eingreifen, bevor Schlimmeres passiert.“

Theodor Blank zeigte die schon von diversen heißen Stühlen bekannten Folterwerkzeuge und trug aus dem umfangreichen Sanktionskatalog vor, den man verordnen könne, wenn's noch schlimmer würde: Strafen bis 500.000 Mark, Lizenzentzug, völliges Sendeverbot für indizierte Filme. Aber die Christdemokraten wollten ja den Schwerpunkt auf die „Bewußtseinsveränderung“ legen, beruhigte Medienexperte Blank den Herrn Kofler von Pro 7. Der versprach artig Besserung.

Ebenso artig freute sich da das Christenpublikum über den schnellen Bewußtseinswandel, und Bernd Neumann, Vorsitzender des CDU-Fachausschusses Medien, faßte die Diskussion zusammen: „Wir wollen keine Verschärfung der Gesetze.“ Frank Sturm