Prozeßbeginn um den Tod von Jorge Gomondai

■ Zweieinhalb Jahre nach dem rassistischen Überfall viele Fragen unbeantwortet

Dresden (taz) – Der achtundzwanzigjährige Mosambikaner Jorge Joao Gomondai war das erste Todesopfer rassistischer Gewalt im neuen Deutschland. Am 31. März 1991 kehrte er frühmorgens von einer Geburtstagsfeier bei Freunden heim. Er saß in der Straßenbahn, als ein knappes Dutzend Skins zustieg.

Um 4.15 Uhr stürzte der Mosambikaner rücklings aus der fahrenden Straßenbahn. In einer Blutlache blieb er neben den Schienen liegen. PassantInnen alarmierten die Polizei; die aber ließ Zeugenaussagen zufolge die mutmaßlichen Täter mit der Straßenbahn entkommen. Joao Gomondai, der seit zehn Jahren in Dresden zuhause war und im Fleischkombinat gearbeitet hatte, starb am 6. Mai im Krankenhaus.

Was genau in dem Straßenbahnwaggon passiert war, ist bis heute unklar. Ob der heute vor der 2. Jugendkammer des Landgerichts Dresden beginnende Strafprozeß gegen drei Rechtsradikale dieses Verbrechen restlos aufklären wird, muß bezweifelt werden. Mehr als 60 ZeugInnen sollen an neun Verhandlungstagen gehört werden.

Die Tatverdächtigen, zwei aus Dresden und einer aus Oberschwaben, sind der fahrlässigen Tötung und gefährlichen Körperverletzung angeklagt. Zwei Angeklagte waren zur Tatzeit noch Jugendliche. Von Beruf sind sie Wachmann, Brauer und Kraftfahrer. Von Mai bis Juli 1991 befanden sie sich in Untersuchungshaft. Gegen acht weitere Tatverdächtige wurden die Ermittlungen im Lauf der Zeit eingestellt.

Bereits im Juli vergangenen Jahres hat der Jugendschöffenkammer am damaligen Kreisgericht Dresden, dem heutigen Amtsgericht, eine Anklage auf gefährliche Körperverletzung und fahrlässige Tötung vorgelegen. Die Kammer überwies diese Anklage jedoch an das Landgericht. Sie könne nicht ausschließen, hieß es zur Begründung, daß die Tat als Körperverletzung mit Todesfolge behandelt werden müsse.

Den Ermittlungen zufolge haben die Neonazis ihrem Opfer in der Bahn zuerst „über den Kopf gestreichelt“, dann um ihn herum „Urwaldgeheul“ angestimmt. Darauf traten sie ihn mit Füßen. Der Mosambikaner soll die Bahntür aufgerissen haben und „in panischer Angst“ aus der Bahn gesprungen sein.

Bereits zu einem sehr frühen Stand der Ermittlungen mußte die Staatsanwaltschaft eingestehen, daß sie aufgrund der „schlechten Beweislage“ einen Tötungs- oder Mordvorsatz nicht nachweisen kann. Der heute beginnende Prozeß muß die entscheidende Frage klären, ob eine Kausalität zwischen den Mißhandlungen in der Bahn und dem Tod des Opfers nachgewiesen werden kann.

Falls das Gericht diesen Zusammenhang als erwiesen ansieht, erweitert sich der Strafrahmen von maximal fünf Jahren Freiheitsentzug auf maximal 10 Jahre. Das Verfahren könnte in diesem Fall auch gegen jeden der acht bisher nicht angeklagten Tatverdächtigen aufgenommen werden.

Die genauen Umstände der Todesschüsse auf den Neonazi-Führer und Ex-Zuhälter Rainer Sonntag werden ab morgen vor dem Landgericht Dresden in einer Revisionsverhandlung untersucht. Sonntag wurde im Juni 1991 auf offener Straße erschossen. Vor einem Jahr war Todesschütze Nicolas Simeonidis freigesprochen worden. Anwalt Rainer Bossi konnte das Gericht davon überzeugen, daß sein Mandant verwirrt gewesen war und in Notwehr gehandelt habe. Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin gingen darauf mit Erfolg in Revision. Bossi will nun einen zweiten Versuch wagen. Detlef Krell