: Der Künstler als Scheinwerfer
■ Michel Verjux beleuchtet das Neue Museum Weserburg: Strahlende Lichtkunst ohne Verfallsdatum / Mit reinem Licht das Zeigen zeigen
Ein Bildwerfer war er früher: Wie die allermeisten Künstler warf Michel Verjux seine Bilder einfach in die Welt. Warf sie an die Wand, im Atelier wie in der Galerie, u.a. vermittels eines Dia-Projektors. Dann entdeckte er den Scheinwerfer und wurde selbst einer. Seither wirft der französische Konzeptkünstler nur noch klares, weißes Licht in seine Ausstellungsräume. Und wirft nebenbei ein neues Licht auf Malerei, Fotografie, Film und insbesondere auf die Architektur - die des Neuen Museums Weserburg z.B., das gemeinsam mit drei weiteren Kunsthäusern derzeit eine Ausstellungstournee des Lichtkünstlers organisiert und nun praktisch wie erleuchtet erscheint.
Die Erleuchtung kam Verjux natürlich nicht über Nacht. Eine langjährige Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Bildermachens ging seiner derzeitigen, hochkonzentrierten Form der Lichtbildnerei voraus. Gleich anderen Konzeptkünstlern galt sein ganzes Trachten der „vollständigen Beseitigung des darstellenden Charakters“ der Kunst. Doch im Gegensatz zu Kollegen wie James Turrell, dem Alterspräsidenten der Licht- und Luftkünstler, geht es Verjux nicht allein um die weihevolle Ausstrahlung seiner Installationen. Turrells Lichträume - zuletzt auf der Hamburger „Mediale“ zu bestaunen - sind zum Weinen schön. Verjux' Installtionen hingegen wollen uns mit ihrer Schönheit nicht überwältigen: Sie bieten konzentrierten Kunstgenuß, fordern uns aber gleichermaßen zur Konzentration auf - zur Besinnung aufs Wesentliche.
„Ruhe und Permananz“, so wünscht es sich Museumsdirektor Deecke, sollen mit Verjux' Lichtbildern ins Haus einkehren. Und zwar ins ganze Haus: Vom Erdgeschoß bis unters Dach hat Verjux seine 1000-Watt-Strahler montiert. Umgeben von den Gemälden und Plastiken diverser Kunstjahrgänge, die nicht zuletzt den rasanten Wandel der Kunstmoden dokumentieren, wirken die Lichtinseln vollkommen zeit- und schwerelos.
Leichtgewichtig sind diese immateriellen Bilder dennoch nicht. Sie bündeln vielmehr grundlegende Fragen der Kunst. Die Beziehung von Sender, Träger und Empfänger der Kunstbotschaft wird hier angesprochen, ebenso das Verhältnis von Bild und Rahmen, und das meint immer auch die Architektur und die gesamte Umwelt jenseits der Museumswände, von der ab und zu mal ein Lichtblick durch die Fenster scheint.
Verjux' Scheinwerfer setzen Räume neu in Szene, ob in einer Barockkirche, einem Wohnraum oder im Museum. Und der Direktor freut sich, daß die Besucher so mal durchs ganze Haus geführt werden, um es neu zu sehen. Doch diese milde Form der Museumspädagogik, der Wahrnehmungsschulung, ist am Ende gar nicht die Absicht Verjux'. Er zeigt nicht primär Bilder oder Räume, so schön sie auch in seinem Lichte aussehen; Verjux will das Zeigen zeigen, das reine Licht und nichts anderes, in dem sich alle Regenbogenfarben mischen - und ohne das wir keine Bilder, keine Räume und auch sonst nichts sehen würden. Oder, wie Kuratorin Hanne Zech es ausdrückt: „Er will die Bedingungen des Sichtbarmachens selbst visualisieren“. Ohne didaktische Mätzchen - einfach und einleuchtend. Thomas Wolff
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