Die Wahrheit der Lautsprecherboxen

■ Ein Max Goldt-Abend, dessen Niederschrift Glucksen, Kichern und Hände-aufs-Knie-schlagen begleiteten

Haben Sie sich noch nie eine ganze Bremer taz voller Schöner Leben gewünscht? Nein, ein Buch voll, das ganze Leben und überhaupt: Max Goldt. Ja, er könnte sich problemlos dortselbst einreihen, der Kult-Kolumnist der Titanic, und kommt ja tatsächlich immer mal wieder so alle zwei, drei Jahre nach Bremen. Und liest vor. Wie dienstags. Im Cafe Lagerhaus.

Was aber ist Schöner Leben? Beschreiben ist sinnlos — niederschreiben und zitieren: „Was sind die wirklichen Unterschiede zwischen Frauen und Männern? — Männer legen nichts auf Lautsprecherboxen. Und: Beim Kassettenaufnehmen denken Frauen, daß das Kontrollicht nicht ins Rote driften darf.“ Witzig. Lachsalve. So simpel, weil (fast immer meistens) wahr. Mußt nur hingucken.

Max Goldt guckt — lächelnd in die Kamera: „Können Sie mal aufhören zu fotografieren, das nervt.“ Er hat eine Bühne, eine schwarze, und einen rot besamteten Stuhl. Seine Fangemeinde lacht sich warm und quietscht schon beim Hören der Kolumnentitel. „Ich war auf keinem Bauernhof außerhalb der USA.“ Oder: „Rilleralleritzeratze auf grüner Cordhose.“

hier der Kopf

große Lippen

Wir retten uns trotz Copyright am besten wieder in die wörtliche Wiedergabe: „Ein Leben auf der Flucht vor der Koralle — Interview mit einer erfundenen (leicht säuselnden, Anmerkung der Redaktion) Schauspielerin, Rut Frau. Rut Frau, Sie haben jetzt Ihre Memoiren verfaßt, mit dem doch etwas merkwürdigen Titel 'Waschbecken'. Waschbecken, das erinnert zum einen an Ihre Waschbeckenaffaire, zum anderen hat es wohl auch etwas Selbstreinigendes. Erzählen Sie uns doch mehr. — Gerne.“

Max Goldt hat Töne im Blut, wir wissen es von Foyer des Arts („Wissenswertes über Erlangen“), und er singt sie ungeniert, sympathisch, ja ich versteige mich zu dem Wörtchen liebenswert.

Dieser Wiedererkennungseffekt hat was herzhaft Herzliches. „Bring mir Bioladenbrot mit in die Staaten, hart wie unsere Währung.“ Exfrau Else hatte sich zwar zudem Quark gewünscht, war ihm zu banal, aber dann in den USA im Geschäft unvorbereitet Quark zu erklären — das fällt ihm ja schon auf deutsch schwer. Mitleid mit allen Fremdenführerinnen.

Lifestyle-Prediger ist er da von seinem schwarz betuchten Tisch herab: „Eine Hymne an das museumsreife Gerät Waschlappen - wissen Sie überhaupt noch, wie es funktioniert? Wir waschen uns eh zu unkontrolliert, denn es gibt weder Ellenbogenschmalz, noch Schweißabsonderung an Wade oder Schienbein. Also Kleiderwechseln erst vor der Stinkschwelle“, der Tip des Gurus, „und zeigen Sie nie den häßlichsten Teil des Körpers, die Kniekehlen.“

Dann lieber nostalgische Erinnerungen an die ABBA-Glockenröcke, „alles war damals gelb!“ oder ein philanthropischer Exkurs in die unterschiedlich platten Folgen von Raumschiff Enterprise. Noch beinahe drei humoristische Baltikumsgedichte und drei schöne Anrufbeantworteransagen von 1990. Und dann gibt Max gar Zugaben, obwohl er sich „dem Ritual des rhythmisch werdenden Applauses“ ja widersetzen sollen wollte. Aber er weiß ja, auf zyklischen Aufbau fahren die Leser total ab. Also: Max Goldt gibt's wirklich im Buch, wie man auch die Schöner Leben diesselbigen Blattes ausschneiden, sammeln und einkleben kann.

Silvia Plahl