Der wahre Tierfreund Von Kirsten Niemann

Tierliebe kann in Extremfällen zum finanziellen Ruin oder der absoluten Selbstaufgabe des Tierfreundes führen. Ob Hundehalsband, Sofakissen, Quietscheentchen, Bahncard oder Friseur – nichts ist zu teuer, wenn's dem Tier nur gefällt.

Wenn man den jüngsten Untersuchungen des englischen Marktforschungsinstituts Euromonitor vom Anfang der Woche trauen will, dann sind die Briten die mit Abstand tierliebste Nation der Welt. Pro Kopf und Jahr werfen sie ihren Hunden, Katzen und Kanarienvögeln etwa 72 Mark in den Freßnapf. Sie werden verfolgt von den Franzosen, die etwa 50 Mark für ihr Viehzeug ausgeben, den Amis mit 47 und den Deutschen, die mit ca. 42 Mark den vierten Rang der Tierfreunde halten.

Tierliebe geht durch den Magen. Der absolute Verkaufsschlager bei der Hunde- und Katzennahrung dürfte den Vierbeinern jedoch kaum schmecken. Die sogenannten „Light“-Produkte sind der letzte Schrei. Der neue Hundekuchen hat 40 Prozent weniger Fett, dafür aber 100 Prozent mehr Ballast und Vitamine. Ob das Herrchen dem Hund beim Abspecken hilft oder umgekehrt, bleibt eine offene Frage. Auch Vegetarier pflegen zuweilen ihre Eßgewohnheiten mit ihrem Haustier zu teilen: „Mein Hund kriegt Flocken, der mag gar kein Fleisch“, irrte sich neulich einer. Mein Hund hat es da deutlich besser. Jemand, der es gut mit ihm meint und sofort den „kleinen Hund mit den großen Ansprüchen“ in ihm erkannte, brachte neulich fünf verschiedene Geschmacksrichtungen von jenem Hundefutter vorbei, das die Tölen süchtig macht. Wie ein alter Hungerleider schlang mein Köter die kostbaren Brocken in rasanter Geschwindigkeit hinunter, um sie gleich wieder auszukotzen. Zur Zeit ist er auf Entzug.

Nicht selten gehen schlechte Ernährung und schlechte Erziehung des Tieres Hand in Hand. Wußten Sie schon, daß Sie sich zum letzten Schwächling degradieren, wenn Sie ihrem Hund bei Tisch etwas abgeben? Sich auf diese Art bei dem Hund einzuschleimen, ist zwecklos. Er schaut nämlich nicht „lieb“, wie man glauben möchte, sondern glotzt und droht: „Wenn nicht sofort etwas vom Tisch herunterfällt, dann beiße ich.“ Das ist in aller Regel nicht nötig, denn ausdauerndes Warten lohnt sich, das weiß jedes Viech.

Wo die Erziehung versagt hat, ist guter Rat teuer; insbesondere wenn er vom Tierpsychologen kommen soll. Erst kürzlich hörte man von einem Fall, dessen Heilung an ein Wunder grenzt: Ein verhaltensgestörter Kater terrorisierte, insbesondere nachts, sein Frauchen und rief mit seinem ohrenbetäubenden Geschrei sämtliche Hausbewohner und Nachbarn auf den Plan. Nur die Katzentherapeutin fand schließlich einen Weg, die Ruhe wieder herzustellen: Das Tier langweilte sich entsetzlich und brauchte ein Spielzeug. Deshalb kaufte man zur Unterhaltung dem Kater einen Hamster, der natürlich nur im Glaskäfig Überlebenschancen hat. Die Sache funktionierte, der Kater beruhigte sich – über Verhaltensstörungen beim Hamster ist noch nichts bekannt. Das Haustier fürs Haustier? Ein neuer Trend?

Vielleicht ist Helge Schneiders Standpunkt gar nicht verkehrt, der ist nämlich auch tierlieb: „Ich habe auch Tiere zu Hause – Sardellenpaste und Kochschinken.“