■ Standbild
: Festgeschraubt

„Chiffre“, ZDF, 20.15 Uhr

„Nein, nein, Sie können nicht kommen, das geht nicht.“ Sonst gerne mal auf Publicity bedacht, winkte die ZDF-Redaktion ab, als ich vor Wochen die Aufzeichnungen zu „Chiffre“ miterleben wollte. Jetzt wissen wir, warum: Die „Show um witzige und interessante Anzeigen“ beschränkt sich auf Annoncen, die allesamt im kosten- und niveaulosen Osnabrücker Sonntagsblatt stehen könnten, und würde auch als von der Backpulverabteilung der Dr.-Oetker-Werke ausgerichtete Betriebsweihnachtsfeier durchgehen. Der Moderatorin Sabine Sauer gelingt es innerhalb von 45 Minuten, sich die Sympathien zu verscherzen, die sie sich gerade erst durch vorbildliche Bildschirmabstinenz errungen hatte. In durch nichts zu erschütternder Fröhlichkeit liest sie lustige Anzeigen vor, etwa „Herr sucht anderen Herrn zum Damespielen“, und besorgt sodann quiekend auch noch das fällige Gelächter selbst.

Ein paar Annoncen der Marke „Nebenjob: 100.000 DM- Verdienst mit minimalem Aufwand, Gutgläubige werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt“ werden als – he ho, Überraschung! – womöglich unseriös enttarnt: „Hände weg davon!“ Fehlt nur noch der väterlich-besorgt mahnende Blick Eduard Zimmermanns.

Dann präsentiert uns Frau Sauer Filme „mit verdeckter Kamera“. Drei, vier „Alleinunterhaltern“ hat man auf ihre Anzeigen geantwortet und sie für ein Ehepaar engagiert, das gar nicht lacht oder aber an den falschen Stellen. Ein sinnloser Klamauk, der bei „Verstehen Sie Spaß?“ selbst dann noch durchfallen würde, wenn der klerikal dauergrinsende Peter Hahne die Sendung moderieren dürfte.

Zum Glück gibt es Harald Schmidt. Zehn Minuten lang ist „Chiffre“ sehenswert. Erst wird Reich-Ranicki so brillant parodiert, daß der echte „Literatur- Papst“ neben Schmidt wie ein plumper Karaokedarsteller wirken würde. Dann folgt sein, Schmidts, Geständnis: „Ich bin ein Präzisionsfanatiker; das heißt, acht bis zehn Wochen vorher lern' ich die Moderation auswendig. Gerade im Hinblick auf mein älteres Publikum, das ja auch hier heute festgeschraubt ist auf den Stühlen.“ Zögerndes, erzwungenes, leicht gequältes, unbegreifliches Lachen von den verschraubten Rängen. Erlösendes Aufjauchzen vor dem Fernseher. Aber Schmidt kann ja nicht jede Show der Mittelmäßigkeit entreißen. Martin Sonneborn