Kriegsspiele französischer Bauern

Paris-Blockade als Protest gegen das Blair-House-Abkommen zur Begrenzung der EG-Agrarsubventionen / Französische Regierung lehnt Abkommen ebenfalls ab  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Die französische Bauernkoordination liebt Kriegsspiele. Wie eine echte Militäraktion fädelte sie gestern die Operation Paris- Blockade ein. Sie errichtete ein Hauptquartier und elf mobile Kommandoposten, davon einen als Ersatz-Hauptquartier, falls dieses „fallen“ sollte. Einer der Führer der Bauernkoordination, Philippe Arnault, sprach von einer „vietnamesischen Kommandoaktion“: Weil Traktoren bei der ersten Paris-Blockade im Juni 1992 schnell entdeckt und gestoppt worden waren, kamen diesmal guerillagleich autonome Gruppen mit leichten Fahrzeugen zum Einsatz. Sobald Polizei auftauchte, zogen sie sich im Qualm brennender Strohballen zurück, um andernorts eine neue Blockade zu errichten. Doch wie vor einem Jahr haben die Bauern den Mund auch diesmal zu voll genommen. Mehr als einige Staus auf Autobahnen, Nationalstraßen und ein paar verspätete Züge hat die Aktion, an der sich einige tausend Menschen beteiligt haben, nicht erreicht.

Immerhin gelang es den Aufrührern, sich und ihr Anliegen erneut groß in die Schlagzeilen zu bringen. Das Blair-House-Abkommen, in dem die EG den USA die Verringerung ihrer subventionierten Getreideexporte zusagt, muß neu verhandelt werden, fordern sie. Die Bauernkoordination prangert auch die Reform der EG- Agrarpolitik an, die auf einen Abbau der enorm hohen Preisstützungen zielt. Diese Reform hatte vor zwei Jahren zur Gründung des heterogenen, radikalen Vereins geführt. Die Bauernkoordination wird von der kommunistischen und zugleich von der äußerst rechts stehenden Gewerkschaft unterstützt. An ihrer Spitze stehen einige große, hochmodernisierte Getreidebauern.

Um der Bauernkoordination den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat die gemäßigte nationale Bauerngewerkschaft (FNSEA) für Montag landesweite Proteste angekündigt. An diesem Tag wollen die europäischen Außen- und Landwirtschaftsminister in Brüssel eine gemeinsame Position für die Verhandlungen im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) und speziell für den landwirtschaftlichen Teil des Abkommens finden – was angesichts der französischen Ablehnung äußerst schwierig sein dürfte. „Für uns steht fest: Blair House muß mit den USA neu verhandelt werden“, sagte FNSEA-Präsident Luc Guyau zur taz. „Kompensationen können den französischen Bauern nicht genügen, weil sie die Folgen nur kurzfristig ausgleichen würden. Uns geht es aber um die politische Zukunft der Gemeinschaft: Wollen wir die amerikanischen Angriffe weiterhin erleiden, oder sind wir in der Lage, unsere Politik selbst zu bestimmen? Das steht jetzt auf dem Spiel.“

Das Blair-House-Abkommen sei nicht akzeptabel, erklärt auch die französische Regierung, während die USA damit drohen, daß ein europäisches Nein das Ende der Gatt-Verhandlungen bedeuten würde. Für die USA geht es um die Rückeroberung des Weltmarktes. Denn aufgrund der hochsubventionierten europäischen Agrarpolitik hat Nordamerika vor allem beim Getreide wesentliche Marktanteile verloren. Dafür entwickelte sich Frankreich zum größten Produzenten von Getreide, Mais und Rindfleisch in Europa und zum zweitgrößten Agrarexporteur der Welt nach den USA.

Die französische Regierung wird unterdessen nicht müde, die Bauern ihrer Unterstützung zu versichern; schließlich haben zwei Drittel von ihnen die gaullistische Mehrheitspartei RPR gewählt. Obwohl die Bauern in Frankreich nur sechs Prozent der aktiven Bevölkerung stellen, betrifft der wirtschaftliche und soziale Einfluß der Landwirtschaft fast 20 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Zudem trägt sie mit 15 Milliarden Mark zum Handelsbilanzüberschuß bei. Paris versucht jetzt, weitere EG- Länder auf seine Position einzuschwören; Spanien und Irland haben sich inzwischen ebenfalls für Neuverhandlungen mit Washington ausgesprochen.