Sydney freut sich auf Olympia 2000. Am Kai gegenüber der berühmten Oper soll am 24. September eine Riesenparty steigen. Und wenn's soweit ist, darf Greenpeace kräftig mitmischen. Aus Sydney Ingrid Strewe

Die Olympiastadt der Zukunft

Die meisten Sydneysider, wie die Einwohner der australischen Metropole genannt werden, glauben fest daran, daß ihre Stadt die Olympischen Spiele im Jahre 2000 ausrichten wird. Und die größte Party, die Sydney je gesehen hat, ist auch schon organisiert – für die Nacht zum 24. September. Gefeiert werden soll bis zur Entscheidung, die um 04.20 Ortszeit fällt. Und dann wird der Champagner nur so fließen. Stattfinden soll die Riesenfete im Hafenterminal für die Passagierschiffe nach Übersee, am Kai gegenüber vom weltberühmten Opernhaus gelegen.

Der für Sydneys Olympiabewerbung zuständige Minister Bruce Baird versucht zur Zeit, es jedem recht zu machen. So sind zu Nicht-Olympiabewerbungszeiten zum Beispiel nur sechs Open-Air- Konzerte pro Jahr auf dem Sydneyer Messegelände erlaubt – wegen der Lärmbelästigung. Nach dieser Regel hätte Sydney dieses Jahr auf das Konzert der populären Rockband U2 verzichten müssen. Der clevere U2-Manager schrieb jedoch flugs jedes einzelne Mitglied des Sydney-2000-Komitees an und ließ nachfragen, wie Sydney denn gedenke, die Olympischen Spiele zu veranstalten, wenn es nicht mal in der Lage sei, ein Konzert zu ermöglichen. Und siehe da, das Rundschreiben wirkte Wunder, dem U2-Auftritt steht jetzt nichts mehr im Wege.

Welch außerordentliche Begeisterung die Stadt Sydney dem olympischen Ereignis entgegenbringt, zeige, so ganz stolz die Sydney-Lobbyisten im fernen Monaco, das Engagement der Bevölkerung: 100.000 freiwillige Mitarbeiter werden gesucht, um vor und während der Spiele im Stadion und im Olympischen Dorf mitzuhelfen. Und schon jetzt haben sich 91.500 gemeldet, die jüngsten sind erst sieben Jahre alt.

Hamish Fraser, ein Sprecher des Sydney-2000-Bewerbungskomitees, gibt als Gesamtkosten für die Olympiabewerbung Sydneys 25 Millionen australische Dollar an, vielleicht sogar etwas weniger. Diese Kalkulation schließt allerdings nicht die 300 Millionen Dollar ein, die für die internationalem Standard entsprechende Bahn für die Laufdisziplinen, das Schwimmzentrum und das Hauptstadion in Homebush Bay ausgegeben wurden, die schon jetzt kurz vor der Fertigstellung sind. Dazu Fraser: „Sydney braucht sowieso Sportstätten von internationalem Standard. Deshalb gehen die Kosten, die da entstanden sind, nicht auf das Konto der Bewerbung um die Spiele.“

Die Sportzentren werden im Oktober 1994 fertig sein, sechs Monate früher als geplant. Das wiederum ist nicht zuletzt speziellen Abmachungen mit den Gewerkschaften des Landes zu verdanken – die damit den Spielen in Sydney auch gleich ihren Segen erteilten. Nach Frasers Bekunden wird der Stadtteil Homebush nach den Arbeiten am designierten Olympiagelände nicht wiederzuerkennen sein. „Die Anlagen für den Ruder- und Kanusport auf den Penrith-Seen sind absolut phantastisch, dem allerneusten Stand der Technik entsprechend.“

Die Spiele selbst, sollte Sydney am Tag der Entscheidung in der kommenden Woche den Zuschlag erhalten, werden nach Berechnungen Frasers 1,69 Milliarden australische Dollar kosten. „Aber sie werden uns 1,7 Milliarden Dollar einbringen.“ Wer die Rechnung begleicht, wenn Sydney das Rennen um die Austragung der Spiele nicht gewinnt, ist eine Frage, die Fraser im Moment nicht beantworten möchte.

Minister Baird ließ indessen tapfer verlauten, er sei seelisch gerüstet für den Fall, daß Sydneys größte Jubelfeier „zu einer Trauerfeier werden könnte, wenn wir verlieren“. In Wirklichkeit ist keiner darauf vorbereitet. Das einzige Unternehmen im derzeit rezessionsgeplagten Australien mit Geld und wirtschaftlichem Elan ist die Olympiabewerbungs„firma“. Sollte sie eine Niederlage einstecken, steht Sydney unweigerlich eine Art postnataler Depression bevor – aber ohne Baby.

Für radikalen Widerstand „viel zu zahm“

Ein klares Nein zu den Spielen in Sydney kommt von Michael Mansell, Sekretär der Provisorischen Regierung der Aborigines (APG), eine der radikalsten Organisationen der australischen Ureinwohner: „Wir sind ganz klar dagegen. Wenn andere Länder aufgrund ihrer Verstöße gegen die Menschenrechte abgelehnt werden, sind wir der Meinung, daß auch Australien aus genau dem gleichen Grund nicht in Frage kommen kann.“

John Beetson, der zwanzig Jahre in Redfern, dem Stadtteil mit der größten Aborigines-Gemeinde, gelebt hat, befürchtet noch ganz anderes: „Wir sind doch die ersten, die gehen müssen, wenn das große Saubermachen für die Olympiade kommt. Das ist noch bei jeder Olympiade so gewesen. Die Ärmsten müssen als erste aus dem Stadtbild verschwinden, und die Ärmsten der Armen, das sind wir. Die haben sowieso schon seit Jahren nach einem Grund gesucht, um uns aus Redfern zu vertreiben.“

Beetsons Befürchtungen kommen nicht von ungefähr. Der günstig in der Innenstadt von Sydney gelegene und bislang vernachlässigte Stadtteil könnte – in saniertem Zustand – eine begehrte Wohngegend für betuchte Bürger werden. „Für uns kommt da nichts Gutes bei raus“, vermutet er, „die Mieten werden steigen und wir werden verdrängt.“

Die Überlegung, daß die Spiele auch eine Möglichkeit für die Propagierung ihrer Sache darstellen könnten, hält Mansell für unrealistisch. „Wie in den Vereinigten Staaten, wo immer irgendeine indianische Tanzgruppe auftritt, werden hier bestimmt auch ein paar Vorführ-Aborigines mit traditionellen Tänzen aufwarten, aber mehr wird man von uns nicht mitkriegen. Und wir sind nun mal keine radikalen Typen, die mit irgendwelchen Terrorakten auf ihre Lage aufmerksam machen. Dazu sind wir viel zu zahm.“