■ Schatzjagd: Die Geschichte von U 534
: Tote Männer gehen an Land

Kopenhagen (taz) – Die Welt will betrogen werden – und das wird sie wunschgemäß. Die Geschichte der Jagd nach dem Nazi- U-Boot 534 ist die Geschichte, wie MedienschreiberInnen und Verlage sich mittlerweile seit Jahrzehnten mit der Verarschung ihrer LeserInnen eine goldene Nase verdienen. Als am 28.August das verrostete Wrack am Haken eines Schwimmkrans aus den Wellen auftauchte, war dies nur der Beginn des letzten Kapitels, an dessen Ende die Beantwortung der Frage: Kartoffeln oder Goldschatz? endlich ansteht. – Begonnen hatte die Jagd nach dem verlorenen Schatz im U 534, das am 5. Mai 1945 von den Engländern versenkt worden war, gleich nach Kriegsende. Da wurde der Mythos geboren, daß es doch mit diesem Boot eine besondere Bewandtnis haben müsse. Voll mit Kunstwerken und Schmuck, mit polnischem Kirchensilber oder barrenweise Gold sollte es sein.

Mit schöner Regelmäßigkeit taucht es im medialen Sommerloch auf, auch wenn die Überlebenden der Besatzung beteuerten, es befinde sich nur Proviant an Bord. Gäbe es einen Preis für die beste Story um das U 534 zu vergeben, dürfte absolute Siegerchancen der Journalist Bertel Thomsen von der dänischen Boulevardzeitung B.T. haben mit seiner Geschichte, der Heilige Gral mit dem Blut des gekreuzigten Jesus befinde sich an Bord. Seine Quellen will er keinem preisgeben. Wie verständlich! Aber, so Thomsen zu KollegInnen: „War doch eine gute Story, oder?“

Der Mythos verwob sich im Laufe der Jahre mit Kriminalgeschichten, die ihren Grund – natürlich! – im Geheimnis um U 534 haben mußten. Da waren zwei Schatzsucher, die Kontakt zur Sekretärin eines hohen deutschen Wehrmachtsangehörigen hatten, der angeblich bei der letzten Fahrt des U 534 dabeigewesen war. Dieser hatte ihnen angeblich heiße Tips verkauft. Einige Zeit später wurden die beiden ermordet in ihrem Boot aufgefunden. Und zwei Taucher aus Kopenhagen, die in den sechziger Jahren im Gewässer um die Insel Anholt getaucht und berichtet hatten, sie hätten das Boot gefunden, sind angeblich spurlos verschwunden. Ein Fluch? Konkurrenten? Die Mafia?

Die Weltpresse stieg erstmals voll in die Geschichte ein, als am 17. Juli 1976 das Lokalblatt Randers Amts Avis per Schlagzeile den Fund von U 534 vermeldete. Taucher des lokalen Sporttauchklubs „Poseidon“ hatten es gefunden. Undeutliche Bilder und kleine Wrackteile verhalfen ihnen bei den Medienleuten zu einigen Hunderttausend an Einnahmen. Die Geschichte wurde dadurch noch besser, als andere Taucherklubs und -firmen an dem Geschäft teilhaben wollten und sich regelrechte Gefechte in der Tiefe lieferten, so daß die dänische Küstenwache eingreifen mußte. Die Seifenblase zerplatzte im Mai 1977: Es war ein ganz anderes U-Boot, kleiner, älter, absolut uninteressant. Die „Poseidon“-Taucher hatten dies schon vier Tage nach ihrem Fund gewußt. Ein Medienmann hatte sie dazu überredet, die Story nicht zu früh kaputtzumachen.

1985 wurden erneut viele Spalten mit U-Boot-Stoff gefüllt. Bald stellte sich heraus, daß es wieder das falsche war: U 251 statt U 534. Doch daß deutsche Sporttaucher sich an den Skeletten der Ertrunkenen bedient hatten und aus Totenschädeln Aschenbecher und Lampen fürs Klubhaus gebastelt hatten, war allemal für umfangreiche Geschichten gut. Einem, der jahrelang bei der Suche dabei war, dem Taucher Age Jensen, in Fachkreisen dann auch „Wrack-Age“ oder „Skelett-Age“ betitelt, sollte es vorbehalten bleiben, tatsächlich fündig zu werden. Er hatte sich angewöhnt, bei den Fischern im Hafen von Arhus herumzuhören, ob und vor allem wo sich wieder mal ein Netz an irgendeinem unbekannten Gegenstand unter Wasser verhakt hatte.

1986 erhielt er den entscheidenden Hinweis. Am 22. Juli 1986 war das Boot gefunden und sicher identifiziert. Die Tauchergruppe wollte ihren Fund geheimhalten, bis ihr Bergungsrecht juristisch klar war. Doch „Skelett-Age“ konnte den Mund nicht halten und sich bald vor mehr oder weniger unsittlichen Angeboten von Medienleuten nicht mehr retten. Das ging bis hin zu Attentatsdrohungen und dem Versuch, in die Datenbank seines Boots einzudringen, in dem die Echolotaufnahmen von der Fundstelle gespeichert waren. Daß die gleichen Köpfe beteiligt waren, die zehn Jahre zuvor monatelang die Lügengeschichte des falschen Boots am Kochen gehalten hatten, versteht sich von selbst.

Age erhielt das Bergungsrecht am U 534. Da er Investoren brauchte, begann er gleich ganz oben: beim Entdecker des Wracks der „Titanic“, Bernard Justin. Er, wie eine Reihe anderer aus der Wrack-Verwertungsbranche, bekam kalte Füße: Zu unsicher die Geschichte. Bis ein – natürlich – Medienmann anbiß: Karsten Ree, Verleger von Anzeigenblättern. Ein zweistelliger Millionenbetrag war fällig. „Aber ich werde mein Geld mit Zins wiederkriegen, selbst wenn nur Kartoffeln an Bord sind“, versprach Ree. Wenn der Verkauf der Bild- und Filmrechte, für deren Verteidigung Karsten Ree auch auf ein Jagdgewehr an Bord seiner Luxusjacht zurückgreifen kann, nicht reicht, soll ein Museumsschiff aus dem U 534 werden. Vermutlich mit Klabautermann. Regelmäßig wiederkehrend zur Sauregurkenzeit. Reinhard Wolff