■ Bücher.klein
: Pfusch an der Frau

Gehen Sie etwa auch mindestens einmal jährlich zum Frauenarzt? Um sich bestätigen zu lassen, daß Sie eine gesunde, richtige Frau sind? Um verantwortungsbewußt „vorzusorgen“? Mit dem Mythos der „Vorsorge“ beim Gynäkologen räumt Eva Schindele in ihrem Buch „Pfusch an der Frau“ gründlich auf. Schindele wirft einen schonungslosen Blick auf die Gynäkologie – noch immer eine Männerdisziplin. Von ökonomischen Zwängen getrieben, weitet sie ihr Terrain immer mehr aus, erobert „das Innere der Frau als Territorium des Mannes“ und nimmt alle Lebenszyklen der Frau in Beschlag: Adoleszenz, Schwangerschaft, Geburt und Menopause. So wird in unserer säkularisierten Zeit der erste Gang zum Gynäkologen zum Initiationsritus junger Mädchen, zur „Einführung in eine Kultur, in der ihre Weiblichkeit von Männern definiert und geprüft wird“.

Die Wechseljahre werden zur behandlungsbedürftigen Krankheit, Hormone zum Allheilmittel. Die Frauenfeindlichkeit der Gynäkologie zeigt sich beispielsweise an den 150.000 Gebärmutterentfernungen, die hier jährlich vorgenommen werden – 80 Prozent davon überflüssig. Jede dritte Frau über 40 hat keine Gebärmutter mehr, nach den Wechseljahren sogar jede zweite. Die selbsternannten „Manager des weiblichen Lebenszyklus“ betrachten die Gebärmutter nach der „fruchtbaren Phase“ als nutzloses Organ, mißachten ihre Wichtigkeit für den Hormonhaushalt und ignorieren die sexuellen Probleme, unter denen viele Frauen nach der Operation leiden.

Schindele beschreibt eindrücklich, wie die Gynäkologie neue Krankheiten und Risiken schafft und sich damit selbst reproduziert: So hat die Bundesrepublik die dichteste „Schwangerschaftsvorsorge“ – und die weltweit höchste Rate von „Risikoschwangerschaften“. Die Säuglingssterblichkeit ist aber hier nicht geringer als beispielsweise in den Niederlanden, wo zwei Drittel der Schwangeren von Hebammen betreut werden. Es ist gut, daß Eva Schindele die Frau nicht als bloßes Opfer darstellt. Denn die Frau orientiert sich an der medizinischen Norm, sucht den Arzt zur Bestätigung ihrer weiblichen Körperlichkeit auf, um sich ihrer „Normalität“ zu versichern. Als Alternative zur herrschenden Gynäkologie begreift Schindele die Frauengesundheitsbewegung und läßt Selbsthilfegruppen und Frauengesundheitszentren ausführlich zu Wort kommen. Entstanden ist so ein Handbuch mit hohem Gebrauchswert, das über Patientinnenrechte aufklärt und die Adressen von Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen aufführt. Barbara Sastra

Eva Schindele: „Pfusch an der Frau. Ratgeber für einen anderen Umgang mit dem Frauenarzt“. Rasch und Röhring Verlag, Hamburg, 256 S., 36 DM, erscheint Ende September