■ Das Portrait
: Richard Rogler

Die maßgeblichen Tragödien der Weltgeschichte finden immer an der nächsten Straßenecke statt. Camphausen „will endlich mal das Buch kaufen ,Wenn Frauen zu sehr lieben‘ – und dann kann der Buchhändler nicht wechseln. Und erst der hochdramatische Vorgang der Pfandflaschenrückgabe: Der verläßliche Herr Eifler nämlich, ein Ansprechpartner mit seelsorgerischem Einfühlungsvermögen und überdies eine Koryphähe in Sachen Pfandgeldarithmetik, wurde an die Fleischtheke der Eifelplatz- Filiale versetzt. Was braucht's noch den Hamlet, wenn der Alltag derart herzzerreißende Tragödien auf Lager hat? Oder, um mit Richard Roglers unsterblichen Worten zu sprechen: „Schwulsein in New York – das kann heute jeder. Aber stinknormal in Köln – das ist die Herausforderung!“

Kabarettist und Textmonteur Foto: Bernd Arnold

In seinen abendfüllenden Monologen „Freiheit aushalten“ und „Finish“ hat Rogler die spektakulären Banalitäten und kumulierten Katastrophen, die schlimmsten Alpträume der Galeristen, Abgeordneten und Journalisten, kurzum aller Emporkömmlinge mit 68er Biographie, zum Thema gemacht. Rogler, 1949 im fränkischen Selb geboren, nimmt sich ihres Geredes an, parodiert aber nicht, noch weniger denunziert er, sondern benutzt besagten Gruppenjargon als Basis brillanter Textmontagen, getreu seiner Erkenntnis: „Interessant ist es, wenn man Typen nicht noch mal so doof vorführt, wie sie uns eh erscheinen.“ Folgerichtig sind Roglers Vorträge weitaus entlarvender, zugleich auch komischer als die Wortklaubereien altkluger Gesinnungskabarettisten.

Neben der Bühne (Förderpreis des Mainzer Kleinkunstpreises) machte sich Rogler auch das Fernsehen untertan und wirkte unter anderem in den Sendereihen „Mitternachtsspitzen“, „Nachschlag“ und „Herr Rogler und Herr Busse“. Im Wahljahr 1994 sollte auf 3sat die achtteilige Serie „Schattenkabinett“ folgen. Daraus wird nichts – der Sender hat die acht Kabinettstückchen, angeblich aus Kostengründen, storniert. Vorerst betätigt sich Rogler bei der ARD und teilt ab Oktober mittwochs um 23.00 Uhr den „Nachschlag“ aus, die Fünf- Minuten-Terrine für Freunde des lästerlichen Humors. Das Thema „Vorbeugende Rücksichtnahme auf Politikerinteressen“ drängt sich schon mal auf. Harald Keller