Ein Wahlbonus für starke Parteien

■ Polens Wahlrecht soll stabile Mehrheiten ermöglichen

Warschau (taz) – Am Sonntag werden in Polen 460 Abgeordnete zum Sejm und 100 Senatoren zum Oberhaus gewählt. Landesweit treten fünfzehn Parteien an, davon haben nach Meinungsumfragen allerdings nur sechs eine Chance, die Fünfprozenthürde zu überspringen. Parteienkoalitionen benötigen mindestens acht Prozent.

Wer mit mehr als sieben Prozent ins Parlament einzieht, nimmt außerdem an der Auszählung der Landeslisten teil, über die 69 Mandate verteilt werden – ein weiterer Bonus für starke Parteien. Dieses System hat Polens Parlament eingeführt, um eine starke Zersplitterung wie nach den Wahlen von 1991 zu verhindern.

Damals war zunächst die Regierung Olszewski, später dann auch die Regierung Suchocka gezwungen, mit wechselnden Mehrheiten zu regieren. In ihrer 14 Monate dauernden Amtszeit hat sie es allerdings fertiggebracht, eine Koalition aus sieben Parteien zusammenzuhalten. Als im Zusammenhang mit der Diskussion über das Wirtschaftsprogramm dann jedoch im Mai gleich mehrere Koalitionsparteien absprangen und die Opposition mit einem Mißtrauensvotum Erfolg hatte, löste Präsident Walesa kurzerhand das Parlament auf und schrieb Neuwahlen aus.

Den Rechtsparteien, die damals den Mißtrauensantrag einbrachten, brachte das nur kurzfristige Vorteile, ihre Chancen, aufgrund des rigiden neuen Wahlrechts wieder ins Parlament zu kommen, sind nun gering. Ihnen bleibt nur der Senat, für den keine Fünfprozentklausel gilt, sondern ein Mehrheitswahlrecht in Zweierwahlkreisen. Klaus Bachmann