Pendants zum Mantafahrer

Zweiräder überholen Vierräder, zumindest auf den Messen / Das Duell der deutschen Velomessen endet unentschieden  ■ Aus Köln Udo Bünnagel

Auf den diesjährigen Messen zeichnet sich ein eindeutiger Trend gegen das Auto und zugunsten des Zweirades ab. Während die diesjährige Internationale Automobilausstellung (IAA) mit beträchtlichen Besucherrückgängen zu kämpfen hatte, schwimmen die beiden großen deutschen Fahrradmessen trotz Rezession auf einer Woge des Publikumsinteresses.

„Friedrichshafen oder Köln“ wurde noch vor wenigen Wochen in Fachkreisen ähnlich heiß diskutiert wie die seit Jahren umstrittene Frage „Ketten- oder Nabenschaltung“. Nun scheint es ausgemacht, daß sowohl die an diesem Wochenende für Privatleute geöffnete Intercycle in der Domstadt als auch die Eurobike am Bodensee, die am vergangenen Sonntag zu Ende ging, auf den Zuspruch der wachsenden Radlergemeinde stoßen. Sahen sich die Kölner Veranstalter kurz vor dem Messeduell schon als klarer Sieger, muß deren Pressesprecher Dirk Mangold nun eingestehen, daß auch Friedrichshafen „ein voller Erfolg“ war.

Das dürfte zum Großteil an der von Velofans geschätzten gemütlicheren Atmosphäre in der kleinen Stadt am Bodensee gelegen haben. „Das Gelände ist überschaubar, die Geschäfte laufen in lockerer Atmosphäre“, lobt ein Aussteller. So verwundert es nicht, daß die Zahl der vertretenen Firmen noch einmal um 10 Prozent auf mehr als 500 und die der Besucher um mehr als tausend auf 45.200 zunahm.

Doch in Köln weiß Dirk Mangold genau: „Letztendlich kommen die Aussteller dahin, wo sich die meisten Umsätze machen lassen.“ Und in dieser Hinsicht ist der Ruf des Messestandorts Köln unbestritten. Schon am Donnerstag und Freitag zeichneten sich gute Umsätze ab. Knapp tausend Aussteller sind auf der erstmals stattfindenden Kölner Fahrradmesse vertreten, die damit auf Anhieb zur größten in Deutschland avancierte.

Eines zumindest hat die Fahrrad- mit der Automobilbranche gemein. Auch hier etablieren sich zusehends Anbieter aus Südostasien und verdrängen die eingesessenen Hersteller vom Markt. So rüsten immer mehr Hersteller ihre Modelle mit einer Nabenschaltung der japanischen Firma Shimano statt mit der altbewährten von Fichtel & Sachs aus. Vor allem Drahtesel „made in Taiwan“ erobern den deutschen Markt, auf dem sie sich 1992 einen Anteil von 42 Prozent erkämpften. 167 taiwanesische Aussteller haben in Köln ihre Zelte aufgeschlagen.

Obwohl das Zweirad seit nunmehr 175 Jahren ein bewährtes Fortbewegungsmittel ist, kann die Branche immer noch mit Neuerungen aufwarten. An das Fachlatein der Autohersteller fühlt man sich erinnert, angesichts der Werbung für elektronische Alarmanlagen, Anti-Blockier-Systeme (ABS) und hydraulische Scheibenbremsen. „Sicherer, individueller, leichter“ lautet der diesjährige Trend. Zu letzterem tragen vor allem die neuen Rahmen aus Carbon bei, die gegenüber ihren Vorläufermodellen noch einmal ein paar Gramm abgespeckt haben. Vielbestaunt auch der in die Radnabe eingebaute Dynamo eines deutschen Herstellers, der sich bequem vom Lenker aus an- und ausschalten läßt und einen Wirkungsgrad von 60 Prozent – normal sind 30 Prozent – besitzt. Daneben findet auch allerlei Schnickschnack seinen Markt. So hat ein Tüftler zum besseren Schutz der Radler einen batteriebetriebenen Sicherheitsgürtel entworfen, der um den Oberkörper geschlungen wird und sehr discoverdächtig erscheint. Zur Freude der Ganzjahresradler ist nun endlich auch ein am Helm zu befestigender Ohrenschutz mit der sinnigen Bezeichnung „Hot Ears“ erhältlich.

Eindeutig „out“ sind die bei den Messen vergangener Jahre dominierenden Mountain-Bikes (MTB). „Die Radler sehen immer mehr ein, daß es für den alltäglichen Stadtverkehr bessere Lösungen gibt“ erklärt ein führender MTB-Hersteller, der sich nun verstärkt den sogenannten Trekking- und City-Bikes zuwendet. Und noch eines zeigt sich auf den beiden Radmessen: Die Velofreunde sehen angesichts der schlechten Konjunktur momentan vom Kauf besonders teurer Modelle ab und motzen dafür ihre alten Räder mit allerlei Zubehör auf – der Mantafahrer erhält sein radelndes Pendant.