Mogelpackung Bahnreform

Verkehrsministerkonferenz: Keine Einigkeit über Bahnregionalisierung / Stichtag 1.Januar 1994 in Frage gestellt  ■ Von Bettina Fink

Berlin (taz) – Uneinigkeit auf allen Linien. In Sachen Bahnreform und -regionalisierung kamen Bund und Länder auch bei der zweitägigen Verkehrsministerkonferenz in Berlin auf keinen gemeinsamen Nenner. Der Optimismus, den Bundesverkehrsminister Wissmann im Vorfeld des Treffens versprühte, hat ihm nicht den erhofften Kompromiß eingetragen. Und zu allem Überdruß stellt nun auch schon der hessische Ministerpräsident Hans Eichel das Inkrafttreten der Bahnreform zum 1. Januar 1994 in Frage. Am kommenden Donnerstag soll nun auf Ebene der Ministerpräsidenten unter Einbeziehung der Finanz- und Verkehrsminister des Bundes und der Länder ein neuer Anlauf genommen werden.

Kernpunkt der geplanten Bahnreform ist die Übertragung der finanziellen Verantwortung für den Schienennahverkehr auf die Länder. Die sind prinzipiell damit einverstanden, wollen die Bundesregierung aber nicht so einfach aus der Pflicht entlassen: Zu einer Übernahme sind sie nur bei vollem Kostenausgleich bereit. Hat der Bund den Ländern bisher einen Grundbetrag von jährlich 7,7 Milliarden zugesichert, schätzen Experten den Bedarf auf zumindest 14 Milliarden Mark. Die Länder wollen dieses Geld aus der Mineralölsteuer abgezweigt wissen, während der Bund als Geldquelle die Mehrwertsteur vorzieht.

Weiterer zentraler Streitpunkt zwischen Bund und Ländern ist zudem die Eigentumsfrage am Schienenweg. Die Länderverkehrsminister wollen die Wegstrecken in der Finanzhoheit des Bundes belassen. Der wiederum sähe die Verantwortung für die Infrastruktur lieber bei der künftig privatisierten Deutschen Bahn AG. Auch hier zeigten sich die Länderverkehrsminister auf der Konferenz nicht kompromißbereit. Und Hessens Ministerpräsident setzt nach: Der Bund könne sich nicht aus den Erwartungen an eine aktive Verkehrspolitik mit Priorität für die Schiene heraushalten.

Eine Entwicklung sehr im Sinne der Bahnreform-Skeptiker, die sich nun eine breitere öffentliche Aufarbeitung des Themas erhoffen. Bei all den Querelen ums liebe Geld wurden bislang eine aktive verkehrspolitische Diskussion und die Erstellung eines Gesamtverkehrskonzepts unter den Tisch gekehrt, bedauert Tine Seebohm von der „Initiative für eine bessere Bahn“. Bei der Regionalisierung geht es nicht etwa um ein vernachlässigbares Randthema, sondern um das Kernstück des personengebundenen Nahverkehrs. Dort werden fast 90 Prozent des Verkehrsaufkommens auf Schienen realisiert. Sollte sich der Bund dieses – derzeit tatsächlich unrentablen – Hauptteils der Bahn ganz und gar entledigen, sieht die Sprecherin der Initiative nicht nur den ökologisch erforderlichen Ausbau des Schienenverkehrs gefährdet, sondern befürchtet sogar Streckenstillegungen.

Damit ist sie nicht allein. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht in der Regionalisierung des Schienennahverkehrs zwar eine Chance, allerdings nur wenn die Finanzierung durch den Bund auch für die Zukunft abgesichert wird, wenn er – wie im Individualverkehr für die Straßen – auch für die Schieneninfrastruktur sorgt. Ganz zu schweigen von einem umfassenden Konzept für den Öffentlichen Personennahverkehr im Zuge der Reform. Derzeit fließt ja ein Großteil der Bahngelder in ICE- und IC-Strecken, während die kleinen Nebenlinien bereits seit langer Zeit vernachlässigt wurden.

Gegen diese Hochgeschwindigkeitspolitik der Bahn stiegen erst gestern wieder Umweltschützer in Halle auf die Barrikaden. Einer Verzögerung der Verhandlungen und den zur Bahnreform notwendigen Grundgesetzänderungen können einige Kritiker Positives abgewinnen, werden die Bahn und die Verkehrspolitik damit doch zu einem möglichen Wahlkampfthema. Was ihnen um einiges demokratischer erscheint, als die bisherigen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen.