Rätselraten über Stolpe-Akten

■ Anwalt behauptet, zur Verschwiegenheit über mögliche IM-Akte Stolpes verpflichtet worden zu sein Der Justizpressestelle ist ein solcher Vorgang aber unbekannt / Akten aus dem Ausland?

(Berlin (taz/dpa) – Die Merkwürdigkeiten um die als vernichtet geglaubte Personalakte „IM Sekretär“ über die Stasi-Kontakte des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) nehmen kein Ende. Der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, er sei von der Staatsanwaltschaft beim Berliner Landgericht zur Verschwiegenheit über die mögliche Existenz dieser brisanten Akte verpflichtet worden. Schulz ist der Pflichtverteidiger des früheren MfS-Mitarbeiters Klaus Roßberg, der vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß in Potsdam erklärt hatte, dem früheren Konsistorialpräsidenten Stolpe persönlich eine DDR-Verdienstmedaille übergeben zu haben.

Als Rechtsgrundlage für die angeordnete Verschwiegenheit führte Schulz ein Verpflichtungsgesetz an, das bei Geheimnisträgern Anwendung finde, wenn übergeordnete Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines Bundesland berührt seien.

Gestern konnte die Justizpressestelle beim Berliner Landgericht aber nur bestätigen, daß es formal möglich ist, eine solche Verschwiegenheit anzuordnen. Voraussetzung wäre, daß sich in den Akten eines Ermittlungsverfahrens vertrauliche Verschlußsachen befinden. Ein Schweigegebot könnte dann vom ermittelnden Staatsanwalt angeordnet werden – der Pressestelle ist indessen aber kein Verfahren bekannt, das von der Staatsanwaltschaft des Berliner Landgerichtes gegen Roßberg im Zusammenhang mit Stasi-Anschuldigungen gegenüber Stolpe geführt wird.

Rechtsanwalt Schulz hatte bereits am Dienstag angedeutet, er könne für die Verteidigung seines Mandanten Roßberg auf die vollständige Akte „IM Sekretär“ zurückgreifen. Weiter meinte er, „westliche Dienste verfügten über umfangreiches Quellenmaterial aus Beständen der Sicherheitsbehörden der ehemaligen DDR“. Im Zusammenhang mit der USA- Reise von Stolpe hätten konservative Kreise in Amerika die Anregung gegeben, „Erkenntnisse zu öffnen, die bisher von bundesdeutschen Untersuchungsorganen nicht erschlossen wurden“. Wie Schulz sagte, habe er am Donnerstag einen Antrag zur Genehmigung einer Dienstreise nach Washington gestellt.

Gegen Roßberg und seinen früheren Vorgesetzten, Joachim Wiegand, laufen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Meineid bei der Potsdamer Staatsanwaltschaft. Beide hatten vor dem Stolpe-Untersuchungsausschuß unter Eid widersprüchliche Aussagen zur Verleihung der DDR-Verdienstmedaille an Stolpe gemacht. Roßberg hatte angegeben, er habe Stolpe die Auszeichnung in einer konspirativen Wohnung überreicht – Wiegand sagte aus, die Medaille sei vom Kirchenstaatssekretariat verliehen worden. wg