Nachschlag

■ Familienbande: Eine Stasi-Diskussion in der Kulturbrauerei

Wie dröge, öde und blöde – Freitag abend tagte unter dem Motto „Künstler in der Stasi-Debatte“ eine Abordnung des ostdeutschen Familienrates. Eingeladen hatte das „PEN-Zentrum Ost“, eine Institution, die zu DDR-Zeiten nur aufgrund der permanenten Verletzung ihrer eigenen Charta existieren konnte und sich nun nach Aktenöffnung einschließlich ihres Präsidenten Schlenstedt als ziemlich IM-sumpfig erweist. Aber darum ging es nicht, Konkretheit östlich des Brandenburger Tores sieht etwas anders aus. Ungefähr so: „Aber Klaus, was die Westpresse mit dem Heiner und der Christa gemacht hat, war doch perfide, auch die Sache mit dem Sascha war doch nur Sensationshascherei.“ Worauf der Klaus (Schlesinger) verständnissinnig nickt. Alle, alle waren sie da. Die schweigenden Verwalter des Ostfeuilletons, die Lyrikerin Kerstin Hensel, die die Gegenwart als „Diktatur der Mode“ erfährt (und sich ihr, nach ihrer Kleidung zu urteilen, konsequent verweigert), die Liedermacherin Bettina Wegner („Klare, gerade Menschen sind ein schönes Ziel“).

Auf dem Podium thronte der Regisseur B. K. Tragelehn, der in der Rolle des Familienoberhauptes polternd aus seiner Kampf- und Sturmzeit „zusammen mit dem Heiner“ berichtete, in der Rolle des pubertierenden Nölers „der Bert“ (nicht Brecht, sondern Papenfuß-Gorek) und Klaus Schlesinger als zurückgekehrter Sohn, der zwar nie richtig der Horde entwich, aber den Spagat zwischen Analyse und Wehleid wenigstens versuchte. Freya Klier, mißmutig als Alibi-Woman in dieser Herrenrunde geduldet, versuchte wieder einmal das Unmögliche: die rationale Diskussion, die Entlarvung moralisierender Lügen und die Warnung vor einem weiterwirkenden Opportunismus-Potential.

Doch was soll's? Wir alle stecken voller Lug und Betrug, auch eine Frau betrügt manchmal ihren Mann (und umgekehrt); immerhin muß alles im gesamtgeschichtlichen Zusammenhang gesehen werden, und außerdem: Was weiß denn der westdeutsche Sensationsjournalismus von uns... Das war der Tenor dieses Abends. Im Grunde ist kaum noch etwas zu bereden und zu reflektieren, alles liegt vor uns in verblüffender Offenheit. Bis auf die eine große Frage: Was um Himmels willen bewog die Bundesrepublik im Oktober 90, diese durch und durch unsympathische east family kollektiv zu adoptieren? Marko Martin