Kinder schlagen Gong für den Frieden

■ Weltkindertagsfest am Brandenburger Tor: 140 000 Kinder und Jugendliche feierten / Mahnwache für Bosnien: Protest gegen Vertreibung für Olympia-Party

Bei strahlendem Sonnenschein war die Welt gestern am Brandenburger Tor für Tausende von Kindern offensichtlich in Ordnung. Vom Dreikäsehoch bis zur pubertierenden Göre tummelten sie sich in Scharen mit und ohne Eltern auf dem großen Fest, das vom Deutschen Kindershilfswerk anläßlich des Weltkindertages organisiert worden war. Dutzende von Spiel- und Maltischen sowie Sportgeräte ließen die Kinderherzen sicht- und hörbar höher schlagen. Zum Beispiel eine mit Klettband gepolsterte hohe Plastikwand, an der die ebenfalls mit Klett-Anzügen ausstaffierten Jungen und Mädchen kleben blieben, wenn sie auf einem Sprungpolster herumhüpften. Oder der riesige Sandkasten mit Hunderten von Kuchenförmchen. Auch die Rollbahn, auf der die Kids in einer Plastikkiste hinunterrutschen konnten, erfreute sich juchzender Beliebtheit. Und an den Bastel- und Maltischen sah man auch manche Mami und manchen Papi ganz vertieft Wasser und Farbe für ein Bild bemühen.

Kurzum: Das Fest wurde angenommen und war schönem Wetter ein voller Erfolg – wäre da nicht das Problem, daß der Weltkindertag nur ein Alibitag zur Beruhigung des schlechten Erwachsenen- Gewissens ist. Der Kinderring Berlin sprach es in einer Presseerklärung gestern ganz offen aus: Der Weltkindertag, der in diesem Jahr zudem noch wegen des Sonntags einen Tag zu früh stattfände, sei ein Ritual: Die Politiker beschwörten die Interessen der Kinder, und die Kinder dürften demokratisch sagen, was sie wollten: mehr Spielplätze, Verkehrsberuhigung, mehr Kindergärten, bessere Schulen und sinnvollere Freitzeitangebote... „Und sonst?“ fragt der Kinderring: Wer rede von den hungernden und verhungernden Kindern in der Dritten Welt und daß in Deutschland immer mehr Kinder in ärmlichen Verhältnissen lebten? Auch die Gewalt auf der Straße und in den Familien werde verharmlost, Ausländerfeindlichkeit sei an der Tagesordnung. Kitas, Horte und sinnvolle Freizeitangebote würden abgebaut, problematische Kinder ausgegrenzt, Sommermaßnahmen gestrichen, der Verkehr immer rücksichtsloser, und dergleichen mehr. Jugendsenator Thomas Krüger (SPD), auf dem Fest von der taz angesprochen, betonte, daß der Weltkindertag kein Ersatz für kinderfreundliche Politik sein dürfe. Und was tut er für die 500.000 Berliner Kinder unter 14 Jahre? Als erstes fiel Krüger das 300-Millionen-Mark-Sonderprogrammm zur Gewaltprävention ein. Als zweites verwies er auf seine Bemühungen, das von ihm initiierte Projekt „Kids beraten Senator“ in den Bezirken voranzutreiben. „Denn die größten Probleme der Kinder sind nun mal in ihrem Wohnbezirk und müssen vor Ort geregelt werden.“ Die Arbeit der Kinderbüros, die es schon in einigen Bezirken gibt, soll von einem Landesbüro koordiniert werden, das demnächst am Rosenthaler Platz eröffnet wird. In das Gespräch mit dem Jugendsenator schaltete sich ein Vater mit dem Hinweis ein, in Köpenick verfaulten auf etlichen Spielplätzen die Holzsäulen von Schaukeln und Klettergerüsten. Krüger versprach, sich zu kümmern, aber wegen der Waldrandlage der Spielplätze sei hier wohl eher der Umweltsenator gefordert. Unterdessen hallte alle paar Sekunden ein lauter Gongschlag über den Pariser Platz: Er kam vom Stand der Mahnwache „peace with you in Bosnien-Herzegowina“. Unter dem Motto „Kinder schlagen Gong für den Frieden“ hatte sich das Grüpplein der Mahnwachenden kurzerhand in den allgemeinen Rummel eingereiht. Die große Öffentlichkeit nutzen sie zudem, um in eigener Sache zu protestieren: Wegen der „Olympia-Party“ am Brandenburger Tor muß die Mahnwache nämlich von heute ab bis zum 24. 9. das Feld räumen. Plutonia Plarre