Kein Platz für Musiker

■ Über 50 Bands müssen am nächsten Montag ihre Proberäume verlassen / Immer mehr Gruppen ohne Dach überm Tonkopf

Wenn Stephan am Donnerstag bei der NOlympics-Party im Tränenpalast in die Saiten greift, könnte ihm in der Tat zum Heulen zumute sein: Der Bassist der „Ex- Perten“, die den Gegnern von Mietwucher und Kiezverdrängung kräftig einheizen wollen, muß nämlich bereits wenige Tage später mit der Band den Proberaum in Kreuzberg räumen – gekündigt.

Damit ist für die vier Musiker längst bittere Realität, was die Party-Gäste bei einer Entscheidung des IOC für Berlin verstärkt befürchten. Räume, die seit Jahren von Bands genutzt werden, sollen nun für viel Geld saniert und anschließend um ein Vielfaches teurer vermietet werden – an Versicherungen, Ärzte, Architekten.

Rechtlich steht dem in vielen Fällen nichts entgegen, da Vermieter große Teile ihrer Kosten auf die Mieter umlegen dürfen. Die Folge ist jedoch, daß zahlreiche Gruppen ohne Dach über Gitarrenhals und Tonkopf dastehen. Mit den „Ex- Perten“ verlieren am kommenden Montag, den 27. September, allein in der Köpenicker Straße rund 300 Musiker ihre Proberäume. 21 Räume auf zwei Etagen eines Hinterhauses stehen praktisch über Nacht nicht mehr zur Verfügung, über 50 Bands sind davon betroffen. „Mit den vielen Künstlern in Berlin prahlen, das können die Politiker prima“, beschwert sich „Ex- Perten“-Sänger Mars und fragt: „Was glauben die eigentlich, wie wir ohne Übung gute Musik machen sollen?“ Auch Klaas, Bassist bei „Klosch“, will den Ärger nicht allein am Vermieter festmachen. Er sieht die Politiker in der Pflicht, für bezahlbare Räume zu sorgen.

Vorbildcharakter könnten dabei die von Kultursenator Ulrich Roloff-Momin vorgelegten „Richtlinien zur Atelierförderung für Künstlerinnen und Künstler“ sein, die der Senat letzten Dienstag verabschiedete (die taz berichtete). Danach unterstützt die Verwaltung Künstler bei ihrer Suche und der Anmietung geeigneter Räume; mit der Treuhand wurde vereinbart, so eine Mitteilung, „daß beim Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften geeignete Objekte mit der Auflage versehen werden können, Künstlerarbeitsstätten einzurichten“.

Zur Zeit bleibt vielen Musikern nur die Chance, in Räume weit außerhalb des Zentrums auszuweichen oder irgendwelche feuchten Kellerräume anzumieten, die offiziell gar nicht zu diesem Zweck genutzt werden dürften. Die Musiker in der Köpenicker Straße sind doppelt sauer, weil sie die Kündigung als nicht rechtmäßig erachten: Mit einem zynisch formulierten Zettel an der Tür wurden sie vom Entschluß ihres Vermieters unterrichtet, der den Gruppen säumige Mietzahlungen vorwirft und der sich mit „Winke, winke“ verabschiedet. Das Problem formuliert Klaas: „Da es sich um Gewerberäume handelt, hilft uns weder eine normale Mieter-Rechtsschutzversicherung, noch haben wir Anspruch auf Prozeßkostenbeihilfe.“

So können sich die Musiker nur gegenseitig versichern, daß sie ihre Miete stets pünktlich gezahlt haben. Doch die meisten Gruppen haben die Räume am Schlesischen Tor bereits verlassen. Sie wollen es nicht auf eine Räumung ankommen lassen, bei der ihr Equipment Schaden nehmen könnte. „In den meisten Räumen standen Sachen rum, die über 10.000 Mark wert sind“, erklärt „Ex-Perten“-Gitarrist Thorsten: „Für die meisten von uns ist das praktisch alles, was wir besitzen.“ Christian Arns