Nebensachen aus Rom
: Handwerkers Gewinnsteigerung

■ Wie man mit eigenen Aufträgen die Wirtschaft ankurbelt

Auf ihre kleine hellgraue Tolle links an der Stirn war Angelika Börgers aus Alpen bei Xanten immer sehr stolz – ein Pigmentschaden nach der Geburt eines ihrer Kinder hatte ihr zu der attraktiven Einfärbung verholfen, die alle für einen geglückten Friseur-Eingriff ins sonst braune Haar der Sozialpädagogin halten. „Und nun das“, stöhnt sie, „ausgerechnet mir!“ Passiert war folgendes.

In Borgo Hermada, südliches Lazium, hatte sie während des Sommer-Badeurlaubs Lust auf fachkundige Haarwäsche bekommen, hatte sich zur „Parucchiera Gina“ im Orstkern begeben und ihren Wunsch geäußert. Der Wunsch wurde erfüllt – „doch dann stand die eine Friseuse plötzlich vor mir, überlegte hin und her, holte ihre Kollegin, ging mit der weg – und plötzlich hatte ich so 'ne Schmiere auf dem Kopf. Ergebnis: das Haar war nun dunkelbraun, die Strähne weg. „Bello, no?“ erkundigten sich die beiden Künstlerinnen.

Angelika Börgers zeigt ihr Entsetzen deutlich und weigerte sich, die Zusatzarbeit zu bezahlen. Sie hinterließ, vermutlich, im Laden den Geruch jener Deutschen, die partout nicht zum Wiederaufschwung Italiens beitragen wollen.

Die Nachdunkel-Übung nämlich steht nicht alleine: landauf landab klagen keineswegs nur landesfremde Opfer, daß Italiens Handwerker und Händler neuerdings mit eigenwilligen Methoden die marode Wirtschaft und auch ihren eigenen Laden anzukurbeln versuchen: „Autoincarico“ heißt das untertreibend, Selbstbeauftragung. Mathilde Schlögl z. B., Eignerin eines kleinen Ferienhäuschens in Terracina, beauftragte ihren Maurer Tiberi, eine kleine Mauer für ihre Blumentöpfe zu errichten – als sie nach dem Winter wiederkam, hatte Tiberi jedoch nicht das Mäuerchen, dafür aber ein massives Dach über die Sonnenterrasse gebaut. „Ich dachte, das sieht doch gut aus“, verteidigte er sich, als Mathilde nicht nur die Kosten, sondern auch das zerstörte Ambiente ihrer Terrasse beklagte. Und: für das Dach soll sie nun fünf Millionen Lire, das Zehnfache des Mauer-Preises bezahlen.

Zwei Häuserreihen weiter verfluchte wenig später der Bankangestellte Giacomo seinen „Selbstbeauftrager“ – statt der Standardausstattung seines neuen Wagens fand er unaufgefordert Airbag, Schiebedach, Super-Stereoanlage, Alufelgen und Plüschpolster in seinem Gefährt vor, Zusatzkosten umgerechnet mehr als 3.000 DM – „ich hatte verstanden, daß du ein schönes Auto willst, nicht irgendeines“, erklärte ihm der Geschäftsführer milde.

Weniger Erfolg mit derlei Erpressung hat nur eine einzige Kategorie – die Buchhändler. Während Apotheker besonders im Süden einem durchaus mal ein anderes, teureres Produkt aufhalsen, als es der Arzt eigentlich verschrieben hat, berichtet Carlo Bizzarri, der anstelle eines Sachbuchs einen Roman verkauft hatte, von einem kompletten Fehlschlag: „Der Mann hat das Buch mitgenommen, wohl gelesen und dann zurückgebracht – es sei genau das, was er nicht wollte. Ich mußte es am Ende doch noch umtauschen, ihm das Gewünschte, und den Differenzbetrag herausgeben.“

Armes Italien. Bei so wenig Verständnis für wirtschaftliche Nöte wird es mit dem nächsten Boom wohl noch einige Zeit dauern. Werner Raith