Domplatz gegen die Nazis verteidigt

Rund 5.000 Menschen haben im hessischen Fulda einen zweiten Neonaziauftrieb verhindert / NPD-Bundesparteitag in Coppenbrügge nach Protesten abgebrochen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Fulda/Coppenbrügge (taz) – Daß er an diesem Sonnabend einen „Sieg über die Rechtsradikalen“ feiern konnte, hat der Fuldaer Oberbürgermeister Wolfgang Hamberger (CDU) nicht zuletzt den „gewaltbereiten Gegendemonstranten“ zu verdanken, die noch in seiner Verbotsverfügung für das angekündigte Reichskriegsflaggenspektakel der Jungen Nationaldemokraten allein die bösen Buben waren. Schulter an Schulter mit den BürgerInnen der Domstadt verteidigten Autonome aus dem Rhein-Main-Gebiet und dem Großraum Kassel/Göttingen den Domplatz und die gesamte Stadt – getreu der Losung „Kein Fußbreit den Faschisten!“ Und die Faschisten zogen tatsächlich den Schwanz ein. Nachdem sich in Fulda insgesamt knapp 5.000 Gegendemonstranten versammelt hatten und Hamberger mit einer zweiten Verbotsverfügung mit nachdrücklichem Hinweis auf das Gewaltpotential bei den Rechtsradikalen und das angekündigte „öffentlichen Bekenntnis“ zur verbotenen Reichskriegsflagge reagiert hatte, sagten die Jungen Nationaldemokraten ihre geplanten Veranstaltungen ab.

Mit „Unverständnis“ hatte Hamberger zuvor auf die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes reagiert, der die Hambergersche Verbotsverfügung für die angemeldete Demonstration der Jungen Nationaldemokraten am Freitag aufgehoben hatte. Den Richtern war der alleinige Hinweis des Oberbürgermeisters auf die zu erwartenden „gewalttätigen Gegendemonstranten“ keine ausreichende Begründung für die Verhängung eines Demonstrationsverbotes. So mußte Hamberger am Sonnabend noch „nachsitzen“. Mit seiner zweiten Verbotsverfügung trug der Christdemokrat dann der Forderung der Grünen nach Einhaltung der „Gesetze der politischen Hygiene“ endlich Rechnung, indem er den von den Rechtsradikalen in Aussicht gestellten Rechtsbruch – das „Reichskriegsflaggenspektakel“ – in den Mittelpunkt seiner Begründung für die Verbotsverfügung stellte.

Schon am Vormittag hatten sich rund 2.000 Bürgerinnen und Bürger auf dem Domplatz versammelt, um einen Alt- und Neonaziauftrieb an dieser „heiligen Stätte“ – so ein engagierter Katholik – zu verhindern. Auch Oberhirte Dyba ließ sich kurz blicken, um zusammen mit Polizeiführern und Lokalpolitikern laut über ein generelles Demonstrationsverbot für „seinen“ Domplatz nachzudenken. Die Polizei hatte die Stadt hermetisch abgeriegelt. An diversen Kontrollpunkten wurden – nach Polizeiangaben – „Taschenmesser, verdächtig aussehende Flaschen und Tücher“ beschlagnahmt. Im Verlauf der diversen spontanen Protestzüge durch die Stadt kam es dann vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und vermummten Demonstranten. Dabei seien neun Personen „vorübergehend festgenommen“ worden. Auf einer Demonstration von Gewerkschaftern, Sozialdemokraten und Grünen forderte die SPD-Landtagsabgeordnete Silvia Hillenbrand ein Verbot der NPD und aller anderen rechtsradikalen Gruppierungen.

Nach dem Abzug autonomer Gruppen und antirassistischer Initiativen aus Fulda sagte Hamberger auf einer Pressekonferenz im Rathaus, daß er „stolz“ auf die Bürgerinnen und Bürger seiner Stadt sei. Ausländische Touristen hatten am Rande der Kundgebungen und Demonstrationen mit Beifall auf die „sichtbaren Bekenntnisse der Bevölkerung zu Demokratie und Völkerverständigung“ reagiert, so eine Besucherin aus England.

Mit Empörung reagierten dagegen die Bürgerinnen und Bürger von Coppenbrügge bei Hameln auf den überfallartigen Aufmarsch der rund 200 Delegierten des Bundesparteitags der NPD in ihrer Kommune. Nachdem die Bundesländer Thüringen und Bayern den NPD-Bundesparteitag auf ihrem Hoheitsgebiet verboten hatten, war die rechtsextreme Partei am Sonnabend klammheimlich nach Niedersachsen ausgewichen. Weil der Parteitag im Saal eines Gasthauses stattfand, habe es – nach Polizeiangaben – „keine rechtliche Handhabe“ gegeben, um dem Treiben der NPD in Coppenbrügge ein vorzeitiges Ende zu bereiten. Beim Wirt des Lokals angemeldet hatte die NPD eine „Bauernversammlung“. Rund 1.000 Menschen, unter ihnen Autonome, die aus Fulda und Erfurt gekommen waren, protestierten bis in die Nachtstunden vor dem Lokal gegen den „Faschistenauftrieb“. Nachdem die Rechtsradikalen wegen des „ohrenbetäubenden Lärms“ (NPD) der Gegendemonstranten gegen 22 Uhr den Parteitag vorzeitig abbrachen, kam es zu Rangeleien zwischen empörten Demonstranten und der Polizei, die den Abmarsch der Parteitagsdelegierten sicherte. Deshalb galt der Dank der NPD-Funktionäre noch in der Nacht den Polizeibeamten vor Ort, denn „die Autonomen, die hätten uns zerfleischt“ (NPD).