: Die Stimme der schweigenden Mehrheit
■ Kohls Präsidentenkandidat Heitmann will das „Empfinden der Mehrheit der Bürger“ formulieren / Bubis und SPD halten ihn für völlig ungeeignet
Bonn (AP/dpa/taz) – Er scheint ein Kandidat für alle Fettnäpfchen zu sein. Steffen Heitmann, den Helmut Kohl im nächsten Jahr zum Bundespräsidenten wählen lassen will, gab der Süddeutschen Zeitung sein erstes großes Interview, und und unmittelbar nach dem Erscheinen am Samstag griffen Vertreter der SPD und FDP sowie des Zentralrats der Juden in Deutschland den Kohl-Kandidaten vor allem wegen seiner Äußerungen zum Umgang mit der NS-Vergangenheit scharf an. Kanzleramtschef Friedrich Bohl sah sich daraufhin genötigt, sich von der Bild-Zeitung interviewen zu lassen und zu verkünden: „Steffen Heitmann hat die große Sympathie der CDU.“
Heitmann hatte in dem Interview mit der SZ gesagt, er stehe zu seinen Äußerungen von 1990, als er sich bei einem Besuch in Stuttgart daran rieb, daß ihm so viele Ausländer begegnet seien. „Ich glaube nicht, daß ich da was zurückzunehmen habe. Das Merkwürdige ist in der Bundesrepublik Deutschland, daß es ein paar Bereiche gibt, die sind tabuisiert.“ Er erklärte: „Es gibt eine intellektuelle Debattenlage, die nicht unbedingt dem Empfinden der Mehrheit der Bürger entspricht, die man aber nicht ungestraft verlassen kann. Und dazu gehört das Thema Ausländer, dazu gehört das Thema Vergangenheit Deutschlands, die Nazi-Vergangenheit, dazu gehört das Thema Frauen.“
Heitmann glaube, „daß man diese Debatten (...) aufbrechen muß, selbst auf die Gefahr hin, daß man dann in bestimmte Ecken gestellt wird“. Und: „Die deutsche Nachkriegssonderrolle war ja in gewisser Weise eine Fortsetzung der angemaßten Sonderrolle der Nazizeit. Das ist zu Ende.“ Er glaube nicht, daß aus dem Holocaust „eine Sonderrolle Deutschlands abzuleiten ist bis ans Ende der Geschichte. Es ist der Zeitpunkt gekommen (...) dieses Ereignis einzuordnen.“
„Wer fordert, das Tabu der Vergangenheit zu brechen, gießt Öl in das Feuer der Rechtsextremen“, sagte daraufhin SPD- Präsidiumsmitglied Heidemarie Wieczorek-Zeul. Heitmann habe sich mit seiner Äußerung zur Nazi-Vergangenheit „endgültig für das Bundespräsidentenamt disqualifiziert“. Auch Bonns FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms sagte, Heitmann müsse nachweisen, „daß er der Präsident aller Deutschen sein will und kann“. Es sei fraglich, „ob er die Menschen unseres Landes und die deutsche Geschichte richtig einschätzt“.
Ebenso übte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, in Interviews deutliche Kritik an dem Landesminister: „Herr Heitmann spricht (...) das nach, von dem er glaubt, daß viele im Volk so denken. Das gilt für seine Thesen gegen Ausländer, Europa und den Umgang mit der deutschen NS-Vergangenheit“, sagte Bubis. Die Kriegs- und Nachkriegsgeschichte dürfe man „nicht zu den Akten legen“. Mit diesen Thesen „kann man meiner Auffassung (nach) nicht Bundespräsident aller Bürger sein“, so Bubis.
Im Rahmen einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag votierten unterdessen nur 17 Prozent der Befragten für Heitmann und 54 Prozent für Rau. Im Osten kommt der sächsische Politiker gar nur auf 12 Prozent.
Die CSU steht hingegen voll hinter Heitmann. Der Chef der CSU-Landesgruppe, Michael Glos, befand, Heitmann stärke das „konservative Spektrum“ und „könnte auch aus Bayern und der CSU stammen“. Kommentar Seite 12
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