: Grüne: Krebsfasern untersuchen
■ Nach Ersatz von Asbest droht höchstwahrscheinlich neue Krebsgefahr in Schulen, Kitas und anderen Gebäuden / Grüne fordern Verbot von Mineralfasern / Doch Bausenator Nagel wartet auf den Bund
Krebsgefahr droht nicht mehr nur durch Asbestfasern. Auch Fasern aus Mineralien, mit denen seit den siebziger Jahren Asbest ersetzt worden war, lösen Lungenkrebs aus. Einen entsprechenden Bericht veröffentlichten Umweltbundesamt (UBA), Bundesgesundheitsamt (BGA) sowie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung (BAU) diesen Monat gemeinsam.
„Es ist absurd, daß die Berliner Verwaltung in keiner Weise reagiert hat“, monierte gestern Bernd Köppl, gesundheitspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Grüne, in einem Gespräch mit der taz. Seine Fraktion fordert eine sofortige Untersuchung in Schulen und Kindertagesstätten. In diesen Gebäuden müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ähnliche Luftbelastung vermutet werden wie damals bei Asbest.
Die Grünen fordern ebenfalls, daß die Dämmstoffe gegen Kälte, Lärm und für den Feuerschutz, in denen die Mineralfasern stecken, im öffentlich geförderten Bau verboten werden. In die sogenannte Verwendungsverbot-Ordnung der Bauverwaltung sind bereits Baustoffe wie Asbest, der Klimakiller FCKW und Tropenholz aufgenommen. Ein unschädlicher Ersatz für die Chemiematten sei vorhanden, sagt Köppl: „Kork sowie Wolle von Schafen, Holzspäne und Altpapier.“ Aufwendig sei allerdings der Brandschutz. Da die umweltfreundlichen Stoffe vor allem im ländlichen Raum hergestellt würden, sei ein Verwendungsverbot für die Chemiefasern ein Konjunktur-Programm für das Berliner Umland. Köppl: „Man muß das nur richtig vorbereiten.“ Damit die krebsverdächtigen Fasermatten nicht ungehindert in Baumärkten weiter verkauft und bei privaten Bauvorhaben benutzt werden dürfen, soll Berlin mit einer Initiative den Bundesrat zu einem bundesweiten Verbot von Mineralfasern bewegen, fordern die Grünen weiter.
Doch Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) will nichts unternehmen, ohne sich zuvor mit seinen Länderkollegen und Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) abzustimmen. Das Hände-in-den- Schoß-Legen begründete Nagel- Sprecher Ralf Schlichting damit, daß man keine Hysterie schüren wolle. Unverbindlich gibt sich auch Gesundheits-Staatssekretär Detlef Orwat (CDU): „Noch sind keine Grenzwerte festgelegt.“ CDU-Gesundheitsexperte Rudolf Franz benennt wenigstens das Problem, vor dem die Politiker zurückschrecken: „Eine Sanierung wie bei Asbest können wir uns nicht leisten“, Berlins Steuerzahler hätten dafür bereits zwei Milliarden Mark zahlen müssen.
Köppl dagegen drängt. Mit vorgeschobenen Diskussionen über die Krebsgefahr sei die Asbestsanierung zehn Jahre verzögert worden. So viel Zeit dürfte man sich nicht noch einmal lassen. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen