Schleimspur nach Olympia Von Mathias Bröckers

Wenn die Juroren bei der Papstwahl zu Potte gekommen sind, steigt weißer Rauch auf – ein vergleichsweise klares Kriterium angesichts des undurchschaubaren Modus, nach dem das IOC den Zuschlag für Olympia gibt. Die Herrn der Ringe sind allemal päpstlicher als der Papst, und wie sie bei ihren Inspektionsreisen hofiert werden, könnte den Stellvertreter Gottes durchaus vor Neid erblassen lassen. Die Vorbereitung auf eine Audienz im Vatikan ist nichts, verglichen mit dem Aufwand, mit dem die Kandidaten ihren Auftritt vor dem erlauchten Olympia-Gremium vorbereiten. Legte man die Summen, die die einzelnen Städte allein für die Bewerbung verpulvern, zusammen, wäre die nächste Olympiade jeweils so gut wie finanziert: Jede Stadt, die sie gerne ausrichten möchte, zahlt diesen Betrag in einen Topf – und dann entscheidet das Los, wer den Olympia-Jackpot mit nach Hause tragen und das Spektakel ausrichten darf. Gegen eine solche absolut gerechte und vor allem ökonomische Prozedur spricht nur eins: Die IOC-Funktionäre würden ziemlich überflüssig. Das wollen sie natürlich nicht, und nur deshalb müssen sie weiter so tun, als ob zwischen einer Aschenbahn in Sidney und einer in Berlin ein gewaltiger Unterschied bestünde, der genauestens inspiziert, geprüft und sorgfältigst abgewogen werden muß. In Wahrheit ist der Unterschied gleich Null. Den Zuschlag erhält derjenige, der beim Zukreuzekriechen vor den Herrn des Olympia-Komitees die breiteste Schleimspur hinterläßt.

Nun sage niemand, die ganze Prozedur diene ja schließlich der Jugend der Welt, der Völkerverständigung und dem Sport – sie dient ausschließlich den Sportfunktionären. Jenem gigantischen Wasserkopf von Apparatschiks, Bürokraten und Spesenrittern, die vom Delegationsleiter bis zum 3. Zeugwart der Bogenschützen weitaus mehr olympische Betten füllen als die Athleten. Und das gilt keineswegs nur für exotische Zwergstaaten, die mit zwei Synchronschwimmerinnen und 12köpfiger Delegation anreisen, Figuren, die mit Sport soviel zu tun haben wie die Mafia mit der italienischen Oper.

„Hiermit eröffne ich die Null- Null-Null-Null-Null-Spiele...“ – Aber Heinrich, das sind doch die olympischen Ringe...“ Der alte Lübke-Witz dient hier nur als Übergang zu jener anderen Funktionärs-Clique, die das Spielchen der IOC-Monarchen fröhlich mitspielt: die Politiker. Auch ihr „Engagement“ ist in erster Linie Selbstzweck, und deshalb werden sie für die Idee einer Olympiastadt-Lotterie genausowenig zu haben sein. Wer bloß in eine Lotterie einzahlt, kann mit den Bewerbungs-Millionen keinen kostenlosen Wahlkampf treiben, wer bloß einen Jackpot gewinnt, sich nicht als „Macher“ profilieren. Und so treten sie also an, um im Konfirmationsanzug beim IOC-Paten Eindruck zu schinden – und wehe, wenn sich einer beim Gedichtaufsagen verplappert. Weil die Generalprobe mißriet, setzt die Berliner Delegation jetzt auf Zeremonien-Beistand durch einen Profi: Richard v. Weizsäcker, so hofft man, könnte im letzten Moment noch auf den Zug nach Monte Carlo aufspringen. Wenn's trotz Häuptling Silberlocke nicht klappt, werden die Olympiabonzen sicher aufmunternden Trost für die unterlegenen Piefkes parat haben. Berlin könnte sich doch zum Beispiel für die nächsten Winterspiele bewerben...