■ Erschreckend: Umfrage unter britischen Jugendlichen
: Wo liegt eigentlich England?

Dublin (taz) – Mit der Allgemeinbildung ist es bei britischen Jugendlichen nicht weit her. Ein Drittel suchte auf der Weltkarte vergeblich nach Kanada. Bei Bosnien oder Neuseeland wurden gar nur 55 Prozent fündig. Und zehn Prozent waren völlig ungetrübt von geographischen Grundkenntnissen: Sie wußten nicht einmal, wo ihr eigenes Land liegt.

Das bedauernswerte Niveau trat bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Mori zutage, das 501 Jugendliche im Alter von 17 Jahren befragte. Regionale Unterschiede gab es nicht, der Bildungsstand war in den 45 Städten, in denen Mori die Untersuchung durchführte, ähnlich miserabel. Der Test bestand aus 19 Fragen, die eigentlich zum Allgemeinwissen gehören. Sah es bei der Erdkunde schon schlecht aus, so hatten die Jugendlichen bei politischen Fragen erst recht keine Ahnung. Zwei Drittel hielten Jacques Delors für den belgischen Verteidigungsminister, den Präsidenten Frankreichs oder den Vorsitzenden der französischen Bauerngewerkschaft. 40 Prozent der Jugendlichen kannten keinen einzigen britischen Kabinettsminister, und der ehemalige Schatzkanzler Norman Lamont war offenbar unbemerkt von zwölf Prozent der Befragten zurückgetreten. Zwar hatten 57 Prozent gehört, daß Wilhelm der Eroberer im Jahr 1066 in England eingefallen ist, aber nur knapp der Hälfte war zu Ohren gekommen, daß der Zweite Weltkrieg 1945 zu Ende gegangen ist. Da wird es die Queen verschmerzen, daß nur 28 Prozent der 17jährigen wissen, wann sie gekrönt worden ist.

Kein einziger der Jugendlichen konnte alle 19 Fragen korrekt beantworten. Viele hielten den Treibhauseffekt für den Reifeprozeß bei Obst und Gemüse. Andere glaubten, er entsteht bei einer Atombombenexplosion. Um die Literaturkenntnisse war es ebenfalls schlecht bestellt. Nur die Hälfte kannte „Pride and Prejudice“, den Roman von Jane Austen über die Bennet-Familie – und das, obwohl das Buch Bestandteil des Curriculums ist und obendrein beim Mori-Test vier Antworten zur Auswahl gegeben wurden. Viele entschieden sich statt dessen für den Namen einer schottischen Fußballmannschaft.

Es gab jedoch auch einen Lichtblick – ausgerechnet in Mathematik. Drei Viertel wußten immerhin, wieviel 50 Prozent von 180 ist und wie viele Fünf-Pfund-Scheine man benötigt, um 65 Pfund zu erhalten. Bei einem ähnlichen Test vor sechs Jahren hatte sich das noch nicht soweit herumgesprochen. Geradezu glänzend waren die Leistungen der befragten Jugendlichen, als es um ihre eigenen Rechte ging. So wußten immerhin 96 Prozent, daß sie mit 18 wählen dürfen. Vollends offenbarten die 17jährigen ihre Prioritäten bei der Frage nach dem Mindestalter für die Abgabe von alkoholhaltigen Getränken: 98 Prozent antworteten korrekt, daß sie mit 18 in Schnapsläden einkaufen dürfen.

Ginge es nach dem rechten Tory-Politiker John Marenborn, so würde sich an dem erbärmlichen Allgemeinwissen auf absehbare Zeit nichts ändern. Marenborn, Akademiker am Trinity College in Cambridge und früher Mitglied des Schulprüfungs-Ausschusses der Regierung, legte gestern ein Papier vor, in dem er Vorschläge zur Reduzierung von Bürokratie und Verordnungen im Bildungsbereich macht. Demnach will er das Curriculum auf ein Minimum einschrumpfen und nur noch Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen vermitteln lassen – dazu höchstens noch ein paar elementare naturwissenschaftliche Fakten und eine moderne Sprache. Ob den SchülerInnen verraten werden soll, wo Großbritannien liegt, sagte Marenborn nicht. Ralf Sotscheck