72mal Miami via Mexiko, bitte!

■ Kubanische Botschaftsbesetzungen ärgern Mexikaner

Mexiko (taz) – Was vor vier Jahren den Fall der realexistierenden Regimes Osteuropas beschleunigte, spricht sich nun auch in der sozialistischen Karibik als Geheimtip herum: die Besetzung diplomatischer Vertretungen als Sprungbrett ins kapitalistische Ausland. Seit letztem Mittwoch harren 72 kubanische StaatsbürgerInnen auf dem Gelände der mexikanischen Botschaft in der Dominikanischen Republik aus, in der Hoffnung auf Visa.

Beim letzten Mal hatte es geklappt: Vor zwei Wochen hatten 11 KubanerInnen die mexikanische Vertretung in Havanna 48 Stunden lang besetzt gehalten. Schließlich hatten die Mexikaner – aus „rein humanitären Gründen“ und „ausnahmsweise“ – die Visa unterschrieben. Transitvisa wohlgemerkt, denn Mexiko soll nur Zwischenstation auf dem Weg nach Miami sein. Auf mexikanische Staatskosten untergebracht, versuchen die 11 Frauen und Männer nun die US-Behörden zur Einreisegenehmigung zu bewegen – bislang erfolglos.

Auf wenig Verständnis war die mexikanische Entscheidung bei den lateinamerikanischen Nachbarn gestoßen, deren Botschaften auf Kuba nun seit Tagen von KubanerInnen bestürmt werden. Nach Schätzungen eines kubanischen Regierungsvertreters, der es vorzieht, ungenannt zu bleiben, wollen gegenwärtig rund eine Millionen – jeder zehnte Bewohner der Insel – das Land gen Miami verlassen. Sowohl Fidel Castro wie auch aufgebrachte mexikanische Leitartikler weisen dabei auf die Doppelmoral der USA hin: einerseits würden die KubanerInnen seit Jahrzehnten zum Exodus aufgefordert, andererseits habe die „Interessenvertretung“ der USA (die diplomatischen Beziehungen sind bekanntlich eingefroren) in dieser Zeit gerade 2.500 reguläre Einreisevisa ausgestellt – obwohl das vor 15 Jahren unterschriebene Migrationsabkommen zwischen beiden Ländern die Gewährung von 20.000 Besuchervisa pro Jahr vorsieht. Unterstrichen werden solle mit dieser Politik offensichtlich das Bild von Kuba als ein Insel- Gefängnis, das man nur auf dem Fluchtweg verlassen könne. Auch der mexikanische Botschafter in der Dominikanischen Republik, Fernando Benitez, fände es viel logischer, wenn die Flüchtigen statt der mexikanischen gleich die US- Botschaft „überfallen“ hätten.

Schon vor über einem Monat hatten sich 15 KubanerInnen auf dem Wasserweg gen Miami gemacht; Tage später wurden acht von ihnen als Schiffbrüchige von der mexikanischen Küstenwache aufgegriffen. Die anticastritische Bewegung von Miami „appellierte“ an die mexikanische Regierung, den Flüchtigen Asyl und die Ausreise gen USA zu gewähren – mit Erfolg. Diesmal will Mexikos Innenminister Patrocinio Gonzalez Garrido hart bleiben. Sollten die 72 KubanerInnen die Botschaft nicht binnen kürzester Frist friedlich verlassen, so liege ihr Schicksal in den Händen der dominikanischen Behörden. Diese aber weigern sich bislang, die friedlichen BesetzerInnen – darunter 24 Kinder und drei schwangere Frauen – gewaltsam herauszuholen. Zwei von ihnen sind inzwischen in einen „unbefristeten“ Hungerstreik getreten. Anne Huffschmid