Koalition plant großen Lohnraub an zehn Feiertagen

■ Pflegestreit: Lohnkürzung an Feiertagen

Bonn (taz) – Eine Nacht mußten die Experten sich noch einmal ins Zeug legen, dann einigte sich die Koalitionsrunde auf ein neues Finanzierungsmodell. Statt der heftig umstrittenen Karenztage soll der Arbeitgeberanteil für die Pflegeversicherung durch Lohnabstriche bei den Feiertagen wieder hereingeholt werden. Um zwanzig Prozent sollen Löhne und Gehälter an zehn Feiertagen gesenkt werden, umgerechnet zwei Feiertage pro Jahr werden künftig also nicht bezahlt. Rund zwölf Milliarden Mark würden auf diese Weise an Lohnkosten gespart. Wörtlich heißt es in der Vereinbarung der Koalition: „Die Lohnzahlung an den zehn bundeseinheitlichen Feiertagen wird um zwanzig Prozent gesenkt. Die Arbeitnehmer erhalten die Möglichkeit der wahlweisen Anrechnung von zwei Urlaubstagen. Für die Beamten werden zwei Urlaubstage oder zwei Arbeitszeitverkürzungstage gestrichen.“

Die neue Vereinbarung lag am Nachmittag den Fraktionen von FDP und Union vor. Doch selbst Koalitionsjuristen scheinen von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des Vorschlags noch nicht restlos überzeugt. Zur Umsetzung müsse ein Bundesgesetz geändert werden, daß die Lohnzahlungen an Feiertagen regelt.

Aus den Gewerkschaften und der SPD kam heftige Kritik und scharfe Ablehnung. Der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler argwöhnte, daß die Koalition die Pflegeversicherung in Wahrheit verhindern wolle, da eine Einigung im Bundesrat nicht vorstellbar sei. Die inhaltlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken, die bei allen Sachverständigen gegen die Karenztage bestanden haben, würden hier sogar „in verstärktem Maß“ gelten. Es sei völlig undenkbar, daß eine SPD-Regierung einer solchen Lösung zustimmen werde.

Als „Lohnraub und Einbruch in die Tarifautonomie“ verurteilte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen Kefer die Feiertagsregelung. Das Modell laufe darauf hinaus, daß die Arbeitnehmer die gesamten Kosten der Pflegeversicherung finanzieren müßten. Kein Grund zur Einstellung der geplanten Proteste gegen die Karenztage, hieß es bei der IG Metall. Vorstandsmitglied Schmitthenner erklärte, die 20prozentige Lohnsenkung an zehn Feiertagen stelle ebenso wie die Karenztage einen Eingriff in die Tarifautonomie dar. tib Siehe auch Seite 2