Ein Homeland für Weiße

Südafrikas ANC und die „Volksfront“ rechtsradikaler Buren haben sich in Geheimverhandlungen auf einen Teilstaat für Weiße mit weitreichender Autonomie geeinigt  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Die Anti-Apartheid-Allianz „African National Congress“ (ANC) und die rechtsradikale „Afrikaaner Volksfront“, ein Zusammenschluß von weißen Burenorganisationen, haben bei mehrwöchigen Geheimverhandlungen eine Vereinbarung erreicht, die sich als Rettung für die Fortsetzung der Demokratisierung erweisen könnte: Danach wird die „Volksfront“ unter Führung von Ex-General Constand Viljoen an den Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung teilnehmen. Der ANC akzeptiert im Gegenzug, daß im „Neuen Südafrika“ ein Bundesstaat für Weiße mit weitreichender Autonomie eingerichtet wird.

Buren erhalten geforderte „Selbstbestimmung“

Im Klartext bedeutet dies eine Anerkennung der Burenforderung nach „Selbstbestimmung“. Die „Volksfront“ fordert öffentlich immer noch einen eigenen „Volksstaat“, während der ANC bisher jede Sonderlösung für die weiße Minderheit am Kap abgelehnt hatte. Ein führender Vertreter der „Volksfront“ bestätigte: „Es hat eine positive Entwicklung gegeben, die in den kommenden Tagen veröffentlicht wird.“ Wie die taz erfuhr, begannen die Geheimgespräche Mitte August nach einem Treffen zwischen ANC- Präsident Nelson Mandela und Viljoen. Die Ausgangsbasis nach den Worten des Managers eines Großkonzerns in Südafrika: „Frieden für ein weißes Homeland.“

Die Einzelheiten der Grundsatzvereinbarung wurden im exklusiven Kreis von nur acht Eingeweihten an einem geheimgehaltenen Ort diskutiert. Der Delegationsleiter auf ANC-Seite: Thabo Mbeki, außenpolitischer Sprecher des ANC. Die „Volksfront“-Delegation wurde von Constand Viljoen geführt, bis Mitte der 80er Jahre Chef der südafrikanischen Streitkräfte. Viljoen verließ auf Initiative des Militärgeheimdienstes seinen Ruhestandssitz, nachdem Andries Treurnicht, der Chef der Konservativen Partei, im April verstorben war. Der Ex-General schaffte das scheinbar Unmögliche: Er einte die zersplitterte weiße Rechte des Landes.

Schon am Dienstag dieser Woche akzeptierte die „Volksfront“ die Vereinbarung. Die bisherige Veröffentlichung scheiterte an Vorbehalten des ANC. Der Widerstandsbewegung bereitete die Formulierung, daß die „beiden wichtigsten einheimischen Gruppen“ Südafrikas zu der Vereinbarung gelangt seien, Probleme. Die ANC-Furcht: Die weiße Minderheitsregierung von Staatspräsident Frederik W. de Klerk könne beleidigt sein.

Die Einigung dürfte dem Militär gefallen

Das Verhandlungsergebnis dürfte für Pretoria ohnehin schwer zu schlucken sein. Der ANC erkennt mit der Vereinbarung indirekt Viljoen und nicht de Klerk als Repräsentanten der südafrikanischen Afrikaaner an. Gleichzeitig aber dürfte die Einigung die südafrikanischen Sicherheitskräfte einbinden. Viele Offiziere des weiter ausschließlich weißen Offizierkorps stehen politisch dem ehemaligen General näher als dem Staatspräsidenten.

Teile der Streitkräfte und Polizei unterstützen und decken terroristische Gruppen, die mittels Anschlägen versuchen, Südafrika zu destabilisieren und den Demokratisierungsprozeß zu verhindern. Die Einigung zwischen Viljoen und dem ANC dürfte ihnen mehr Vertrauen in die Zukunft geben.

Trotz der Einigung in Grundsatzfragen sind ANC und „Volksfront“ noch weit davon entfernt, alle Einzelheiten zu klären. Eine der kompliziertesten Fragen: die Grenzen des weißen Teilstaats im „Neuen Südafrika“. Außerdem muß das Verhältnis zwischen einer Zentralregierung und dem weißen Volksstaat ebenso wie die Zukunft der nicht-weißen Bevölkerung in den betroffenen Gebieten geklärt werden. Beide Seiten sind sich der explosiven Bedeutung der Vereinbarung bewußt.

Nach 341 Jahren der Unterdrückung durch die weißen Buren bedeutet das Ende der Apartheid für viele Schwarze, daß Südafrika der Herrschaft der Bevölkerungsmehrheit übergeben werden soll. Um emotionale Reaktionen zu vermeiden, soll daher die Einigung lediglich in einer Mitteilung veröffentlicht werden. Eine der wichtigsten Passagen: Die Anhänger beider Seiten werden aufgefordert, nicht auf kriegerische Reden zu hören, mit denen auf die Vereinbarung reagiert werden könnte.

Die „Volksfront“ hatte sich in jüngster Zeit geweigert, einer politischen Lösung zuzustimmen, solange die Forderung nach Selbstbestimmung nicht erfüllt würde. Tienie Groenewald, einst Chef des Militärgeheimdienstes, bestätigte sogar die Existenz eines Plans mit Namen „Operation Strongarm“ („starker Arm“), mit der militärisch Widerstand geleistet werden sollte. Sowohl in der Regierung de Klerk als auch beim ANC bestand Übereinstimmung darin, daß Wahlen gegen den Widerstand der rechtsradikalen Weißen nicht durchführbar sein würden.

Erhält auch Buthelezi einen Teilstaat?

Jetzt stehen der weiteren Demokratisierung nur noch die Einwände der konservativen Schwarzenbewegung Inkatha unter Mangosuthu Buthelezi entgegen.

Aber nachdem den Weißen ein Teilstaat eingeräumt wurde, kann eine ähnliche Forderung auch Buthelezi nicht mehr verwehrt werden. Der Inkatha-Chef verliert andererseits in der „Volksfront“ einen seiner wichtigsten Verbündeten in der bisherigen Boykottfront gegenüber den Demokratisierungsverhandlungen.

Die Übereinkunft zwischen ANC und der „Volksfront“ öffnet aber auch die Tür zu einer ethnischen Aufteilung des Landes am Kap der Guten Hoffnung. Damit besteht die Gefahr, daß es den Staat Südafrika, so wie er heute besteht, nicht mehr lange gibt. Er könnte sich nach den für das kommende Jahr geplanten ersten allgemeinen und demokratischen Wahlen auflösen. Denn auch in einer Konstruktion mit einer weitreichenden Autonomie für den weißen Teilstaat wird es immer wieder Konflikte mit der Zentralregierung geben, die Abspaltungstendenzen fördern könnten.