Basketball gegen Atomlager

■ Amerikanische Umweltgruppen mit wenig Berührungsängsten / Kampf mit allen Mitteln gegen ein geplantes Atomendlager / Auch private Kontakte zum Präsidenten sind nützlich

Die Suche nach einem Atommüllendlager hat in der Bundesrepublik bislang einem Abzählreim geglichen: Eene meene muh und raus bist du. Das soll nach dem Willen der niedersächsischen Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) jetzt anders werden. Als Fazit eines dreitägigen Wissenschaftlerhearings in Braunschweig hielt sie gestern fest, daß die Suche nach einem atomaren Endlager in Deutschland von vorne beginnen müsse. Zuvor müsse allerdings der Ausstieg beschlossen werden. „Der ist zwingend, und die Bundesregierung darf nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Die Anhörung sollte den Stand der Wissenschaft zu dieser Frage darstellen.

Das ebenfalls eingeladene Bonner Umweltministerium mochte sich an der Debatte nicht beteiligen. Klaus Töpfer verbot seinen Beamten die Teilnahme. Auch die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg schickte nur einen Beobachter. Die ganze Veranstaltung sei nur ein Alibi der rot-grünen Regierung, so lautet das Argument der Bürgerinitiative. Das Ergebnis des Hearings fiel eindeutig aus – und im Sinne der Atomkraftkritiker: Der Salzstock von Gorleben ist nicht geeignet, strahlende Stoffe für die nötige Frist von mehreren tausend Jahren sicher aufzubewahren.

Mehr noch: Auf der ganzen Welt dürfte es keinen Ort geben, der die erforderlichen Bedingungen erfüllt, Politiker und Atomindustrie haben gehandelt, ohne Geologen und Physiker zu fragen.

Robert Loux hat in Braunschweig über die Auseinandersetzungen mit der amerikanischen Regierung berichtet, die in Yucca Mountain, Nevada, ein Endlager plant. Bislang ohne Erfolg. Loux arbeitet seit elf Jahren im „Nevada Nuclear Waste Project Office“ mit.

taz: Mr. Loux, seit wann läuft die Auseinandersetzung zwischen ihnen und der Bundesregierung in Washington über den Endlagerstandort Yucca Mountain?

Robert Loux: Die Bundesregierung in Washington hat erstmals 1979 Yucca Mountain als potentiellen Standort für ein Atommüllendlager ins Auge gefaßt. Es ging um die Einlagerung abgebrannter Brennelemente und verglasten hochradioaktiven Mülls aus dem Atomwaffenprogramm. Hitzig wurde der Streit erst 1987, als uns der US-Kongreß aus politischen Gründen als einzigen Standort festlegte, an dem Untertage-Untersuchungen stattfinden. Bis dahin gab es ein Verfahren mit mehreren Standorten, und es war deshalb schwer, politisch dagegen anzukämpfen.

Was heißt politisch ausgesucht?

Seit 1976 sucht das zuständige Energieministerium nach einem Standort für ein geologisches Endlager. Bei politisch mächtigen Bundesstaaten erhielt das Ministerium eine Abfuhr, das ist uns nicht gelungen. 1986 schließlich hatte das Ministerium drei Finalisten ausgesucht, den angeblich besten Salzstandort in Texas, den „besten“ Tuffstandort Yucca Mountain und den „besten“ Basaltstandort Hanford in Washington. Weil es bei Tuff und Basalt aber von Anfang an nur je einen Standort gab, waren wir automatisch dabei. Diese Art von Auswahlprozeß sorgte im Kongreß für Aufruhr: Bei der Alternative aber entweder von vorne anzufangen oder jetzt einfach einen Standort zu suchen, setzen sich die durch, die einfach einen Standort festlegen wollten. Nevada hat in Washington eben nur zwei Senatoren und zwei Abgeordnete. Das reichte nicht.

Mit welchen Mitteln wehrt sich Nevada?

Wir haben das Energieministerium sechsmal verklagt, einmal haben wir gewonnen. In der Frage, ob die Bundesregierung uns tatsächlich eine solche Atommüllkippe aufdrücken kann, hat uns der Oberste Gerichtshof auf den Zeitpunkt nach der endgültigen Einlagerungsentscheidung verwiesen. Dann erst müsse diese Entscheidung getroffen werden.

Nur juristisch?

Natürlich nicht. Wir haben in Nevada ein Gesetz verabschiedet, daß die Einlagerung von Atommüll verbietet. Unsere Abgeordneten im Kongreß in Washington suchen nach Schlupflöchern, versuchen Gesetzesänderungen durchzusetzen.

Und unser Gouverneur Bob Miller spielt mit seinem alten Freund Bill Clinton Basketball, versucht über private Beziehungen Verzögerungen und Barrieren aufzubauen. Hindernisse aufbauen und Kosten hochtreiben, das versuchen wir auch zu Hause.

Und ihre Agentur?

Mit den 15 Angestellten und 150 für uns arbeitenden Wissenschaftlern überprüfen wir die Arbeit des Energieministeriums, beschäftigen uns mit den wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen eines Endlagers und betreiben den Kampf des Bundesstaates gegen das Endlager. Wir haben bislang rund 150 Berichte veröffentlicht. Gegen jede einzelne Initiative der Bundesregierung gehen wir an.

Steht die Bevölkerung hinter ihnen?

Mehr als 70 Prozent der Menschen in Nevada lehnen seit mehr als zehn Jahren das Endlager ab, 70 Prozent fordern die Regierung des Bundesstaates auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, daß Endlager zu verhindern. Daran ändert auch das Angebot von Kompensationszahlungen nichts. Senatoren und Gouverneure sind nur wiedergewählt worden, wenn sie sich gegen das Endlager eingesetzt haben.

Und wenn das Endlager trotzdem kommt?

Wir werden auch dann politisch und juristisch weiterkämpfen. Aber die Menschen in Nevada haben auch schon verlangt, die Nationalgarde des Bundesstaates gegen das Energieministerium einzusetzen. Sie drohen mit dem Einsatz ihrer Waffen. Ich glaub' das zwar nicht, aber mit zivilem Ungehorsam, der Blockade von Straßen und Eisenbahnstrecken und Gewalt gegen Sachen muß man rechnen.

Fragen: Hermann-Josef Tenhagen