„Einstieg in den Ausstieg“

■ Die Bundestagsfraktionen diskutierten Mittwoch abend über die doppelte Staatsbürgerschaft und das „ius soli“

Bonn (taz) – 883.837 Unterschriften hat das „Referendum Doppelte Staatsbürgerschaft“ bereits gesammelt, eine Million sollen es bis Mitte Oktober werden. Damit soll der Bundestag zu einer grundlegenden Reform des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes aus dem Jahre 1913 motiviert werden. Doppelte Staatsangehörigkeiten und ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt in der Bundesrepublik (ius soli) sollen nach dem Wunsch der Unterzeichner die Regel werden. Entsprechende Gesetzentwürfe liegen auch von der SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen vor; allein die CDU/CSU hat sich zurückgehalten, obwohl sie in dieser Legislaturperiode „etwas“ vorlegen wollte. Die Stimmen, die noch unmittelbar nach dem Anschlag auf die türkische Familie Genc zu hören waren – Kohl sprach damals von einer befristeten doppelten Staatsbürgerschaft – sind wieder verklungen.

Unter der Moderation von Jürgen Strohmaier vom „Referendum“ trafen sich am Mittwoch abend VertreterInnen von vier Fraktionen und diskutierten das Thema:

– für die SPD Herta Däubler- Gmelin, die einen Gesetzentwurf erarbeitet hat, der nun am kommenden Montag angehört wird;

– Editha Limbach von der CDU, die als einzige ihrer Fraktion das Referendum unterschrieb;

– Wolfgang Lüder von der FDP, der zusammen mit Schmalz-Jakobsen seine Fraktion „zu neuen Positionen“ bewegte und

– Konrad Weiß vom Bündnis 90/ Die Grünen, der mit seiner Fraktion erfolglos am Tage des Asylkompromisses einen Entwurf zur Abstimmung in den Bundestag vorgelegt hatte.

Das ewig gleichlautende Argument gegen die doppelte Staatsbürgerschaft besagt, daß damit die Loyalität zum Staat untergraben werde. Wird sie das? Wolfgang Lüder: „Heute gibt es keine verantwortlichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten mehr, die bei der doppelten Staatsbürgerschaft kollidieren würden.“ Heute heiße doppelte Staatsbürgerschaft, daß man zwei Bindungen hat, an den Herkunftsstaat und an den Staat, in dem man lebt. Auch das Problem der Wehrpflicht sei durch zwischenstaatliche Vereinbarungen mit den meisten Ländern bereits gelöst.

Wie die Menschen, wie die CDU/CSU überzeugen, daß sie einer grundlegenden Reform zustimmen und den „Einstieg in den Ausstieg einer nationalen Politik“ (Weiß) wagen? Vor allem müßten Vorurteile abgebaut, Fehler aufgeklärt werden. „Wenn „wir es hinbekämen“, so Herta Däubler- Gmelin, „daß mehr über diejenigen gesprochen wird, die bereits jetzt zwei Pässe haben“, dann wäre einiges gewonnen. Es handele sich dabei vor allem um Aussiedler, mit Ausländern Verheiratete und deren Kinder. Positives Beispiel: Jüngst wurde der erste (ausländische) Doppelstaatler, Hakki Keskin, auf einem SPD-Ticket in die hamburgische Bürgerschaft gewählt. Julia Albrecht