Gelbe Bärenkrawatten und eine gelungene Show

■ Berlin schlägt sich wacker: Bei der Vorstellung der Bewerberstädte in Monte Carlo machte das von Showmaster Jauch getunte Team den besten Eindruck

Monte Carlo (taz) – Monte Carlo, Donnerstag, 9 Uhr: 82 Herren und 7 Damen der fünf Ringe sitzen im Salle d'Etoiles. Jetzt geht's in die letzte Runde – die fünf Olympiakandidaten präsentieren sich auf dem Laufsteg. Wie wichtig die Städte-Kür noch ist? Bert Roughton jr., Olympia-Experte von Atlanta, das die Spiele 1996 austrägt, behauptet: „Das bringt allenfalls etwas für die Zweit- oder Drittstimmen.“ Melbourne habe damals mit Abstand die beste Präsentation geliefert, Atlanta nur Mittelmaß und die Spiele dennoch bekommen. Wegen des Soft- Drink-Giganten Coca-Cola. Manche sagen das Gegenteil. Erst der finale Auftritt habe Atlanta den Zuschlag gebracht, dank der Rede von UN-Botschafter Andrew Young.

Berlin steigt zuerst in den Ring. Berlin, das die letzten Tage schwach auf der Brust war und sich bereits selbst abgeschrieben hat. Es ist dunkel im Sternensaal. Eine Stimme skandiert: „Ich – bin – ein – Berliner!“ Tosender Applaus aus den Lautsprechern. Dann dürfen alle der Reihe nach bekennen, daß sie ganz wie John F. Kennedy Berliner sind.

Fein haben sie sich gemacht, die acht Berlin-Promoter: im blauen Zweireiher, mit gelben Bärenkrawatten die Herren, die beiden Damen – Graf und van Almsick – mit eidottergelbem Halstuch. 40 Minuten haben sie Zeit für die Werbung in eigener Sache. Die den Verpackungskünstlern bestens gelang. Die Handschrift von TV-Profi Günter Jauch war bis ins Detail spürbar. Dabei hat er erst vor sechs Wochen in einer „Berlin in Not“- Aktion das „fernsehgerechte“ Marketing – gratis, sagt er – übernommen. Zum Vergleich: Sydney feilte sechs Monate lang. Mit weit weniger Effekt.

Acht Schauspieler auf der Schaubühne der Welt des Sports. Unterstützt von modernster TV- Technik, Bildern der Bertelsmann- Tochter Geo-Film und dem klangvollen Geplätscher von Smetanas Moldau. Und von eigens mitgebrachten Claqueuren: Im „Club der 100“ saßen Olympia-Botschafter, die nicht vergaßen an den richtigen Stellen zu klatschen. An alles war gedacht.

„Ein gut einstudiertes Theater“, konstatierte Bert Roughton und zuckte die Achseln. Berlin darf sich zumindest als Präsentationssieger feiern. Und wähnte sich deshalb um 9.45 Uhr bereits als Gewinner. Die Pressekonferenz geriet zum Triumphmarsch.

Sydney und Peking redeten viel zu lange und vergaßen dabei, daß die IOC-Gewaltigen die ganze Woche nichts anderes gemacht als geredet haben. Die Berlin-Combo hingegen spielte raffiniert auf einer dramaturgischen Klaviatur von Betroffenheit, Historie und Ökonomie. Für Emotionen ist Sensibelchen Steffi Graf besonders gut. Stationen ihrer Karriere kulminierten in der Tränen-Sequenz 1990 in Leipzig, ihr erster Ost-Sieg im wiedervereinigten Deutschland. Auch gestern drückte die Tränendrüse.

Eberhard Diepgen spielte die Ost-West-Karte mit filmischer Unterstützung der Herren Reagan und Gorbatschow. Bundesinnenminister Manfred Kanther galt als unsicherer PR-Kantonist. Fernsehmacher Jauch gestand, er habe sich schwer getan, dem Herrn Minister die „staatsmännische Pose“ auszutreiben. Doch dank der filmischen Hilfestellung von Weizsäcker – Berlin als Drehscheibe von Ost und West – und Ernst Reuter – „you people of the world look at this city“ – ging auch das über die Bühne.

Schwimmstar „Franzi“ durfte als einzige deutsch reden. Ein perfekter Gag: Die 15jährige Berliner, pardon man betone Ostberliner, Göre appellierte an das Kindchenschema. Mit „Hallo“ begrüßte sie die ehrenwerte – teils blaublütige – Gesellschaft, die ansonsten gewohnt ist, mit vollem Titel angeredet zu werden. Auch Sydney und Peking waren sich bewußt, daß es dienlich sein könnte, unter den vielen Großvätern im Saale väterliche Gefühle zu wecken. Doch unser aller „Franzi“ steht eben nicht nur für die Jugend der Welt, sie ist auch erfolgreich. Außerdem kann sie sich auf russisch verabschieden, was den Berlinern ein wenig der vorher so schmerzlich vermißten Internationalität verlieh.

Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter schlug die Brücke von deutscher Not und deutscher Wirtschaftskraft hin zum Sport als „wichtigstem Element von Freiheit und Frieden“. Reuter bezog als einziger Stellung zu den Olympiagegnern. In einer Demokratie dürfe jeder seine Meinung sagen. Sein Auftritt aber gipfelte in dem Appell: „Bitte hören Sie nicht auf Versuche, die Wahrheit zu zerstören: Die überwältigende Mehrheit ist für Olympische Spiele in Berlin.“ Cornelia Heim