Moskauer Papierkrieg

■ Vorgezogene Präsidentenwahlen am 12.Juni

Moskau (taz) – Der von Präsident Jelzin aufgelöste Volksdeputiertenkongreß hat am Donnerstag abend seine Arbeit aufgenommen. Der stellvertretende Parlamentsvorsitzende eröffnete die Tagung jedoch, ohne Angaben über die Anzahl der Deputierten zu machen. Um beschlußfähig zu sein, müßten zwei Drittel der 1.033 Abgeordneten anwesend sein, bis zum Nachmittag hatten sich jedoch nur 400 registrieren lassen.

Auf Moskaus Straßen und in den Provinzen Rußlands blieb es auch gestern ruhig. Der Kampf zwischen Regierung und Opposition ist in eine Dekreteschlacht ausgeartet. Anordnungen Jelzins werden auf der Stelle aus dem Parlament von Generalmajor Alexander Ruzkoi widerrufen. Wie bereits am Wochenende angekündigt, wird sich Jelzin vorgezogenen Neuwahlen stellen. Sie sollen am 12. Juni stattfinden. Für Aufregung sorgte am frühen Donnerstag nachmittag eine Meldung der Moskauer Nachrichtenagentur ITAR-TASS, im Parlament reife die Vorbereitung eines bewaffneten Angriffs auf den Generalstab und das Verteidigungsministerium. Den ganzen Nachmittag blieb es jedoch vor den Gebäuden ruhig. Nicht einmal die Wachen wurden hier verstärkt. Wahrscheinlich handelt es sich um eine gezielte Falschmeldung, um die Opposition noch mehr in Mißkredit zu bringen. Derartige Gerüchte sind freilich nicht ganz aus der Luft gegriffen: Mehrfach hatte Ruzkoi vorgegeben, er stünde mit Militärs in Verbindung, Soldaten würden sich auf Moskau zubewegen. Klaus-Helge Donath Seiten 8 und 10